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Imperator

Imperator

Titel: Imperator
Autoren: Stephen Baxter
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fort sind, können wir Brigantia ihre alte Macht wiedergeben. Denk darüber nach. Warum nicht einmal ein Reich der Briganten – und mit uns an der Spitze? Wir könnten es sogar mit den Caesaren aufnehmen.« Seine Augen leuchteten.
    Isolde fragte sich, was der Herzog der britannischen Provinzen und die Regierung in Eburacum wohl zu derartigen Bestrebungen sagen würden. Und Nennius schaute verwirrt drein. Isolde wusste, dass exilierte Britannier in Rom sich damit brüsteten, Nachfahren von Trojanern zu sein, die der Belagerung der Griechen entflohen waren; Namen wie »Briganten« hielten sie nur für künstliche Bezeichnungen, die solche Gruppierungen von den Römern aus verwaltungstechnischen Gründen verpasst bekommen hatten.
    Würde die Zukunft also der Vergangenheit gleichen? Würde Rom zurückkehren, wie Maria zu hoffen schien? Oder konnten Tarchos alte, ausgelöschte Volksstämme wirklich wiedererstehen, sofern sie überhaupt jemals existiert hatten? Und was war mit all den Sachsen, die im Süden herumwuselten? Sie würden nicht verschwinden. Isolde hatte das Gefühl, dass die Zukunft viel komplizierter sein würde, als Maria und Tarcho es sich vorstellten oder erhoffen – komplizierter und blutiger …

    In diesem Augenblick verspürte sie die erste Wehe. Sie biss sich auf die Lippe, krümmte sich zusammen und krallte die Hände in den Bauch.
    Maria beugte sich vor. »Isolde! Ist alles in Ordnung mit dir?«
    Typischerweise nahm Nennius nicht einmal Notiz davon, dass seine Tochter Probleme hatte. Tarcho ebenso wenig. »Wir müssen über den Grund meines Besuchs reden«, sagte Nennius. »Mein Großvater hat mir von der Prophezeiung erzählt. Er war zu dem Schluss gelangt, dass unsere Familie die Wahrheit über sich selbst im Gedächtnis bewahren muss. Aber die Prophezeiung war natürlich verloren. Oder nicht ?
    Ich konnte einfach nicht glauben, dass es keine einzige Abschrift von ihr gibt! Claudius deutet an, dass sich ein Exemplar unter den uralten Sibyllinischen Orakeln befand. Ich habe dort nachgesehen – aber Stilicho, Honorius’ Vandalengeneral, hat die Orakel vor Jahrzehnten vernichten lassen.«
    »Und darum«, sagte Tarcho, »hast du mir geschrieben.«
    Nennius saß kerzengerade und konzentriert auf seiner Liege. »Ich weiß, wie peinlich genau ihr beim Militär schon immer Aufzeichnungen geführt habt, Tarcho. An diesem Ort ist das Original der Prophezeiung angeblich vernichtet worden. Aber ich habe mich gefragt, ob nicht gerade hier auch eine Abschrift von ihr überlebt haben könnte, tief unten in einem alten Gewölbe. Hätte nicht irgendein ordentlicher und obendrein abergläubischer Soldat dafür gesorgt? Und darum
habe ich dir geschrieben und dich gebeten, im Vorfeld meines Besuchs nach ihr zu suchen – und, tja, hier bin ich. Komm schon, Vetter, spann mich nicht länger auf die Folter! Sag mir, ob du etwas gefunden hast.«
    Eine weitere Wehe. In ihrem Schmerz klammerte sich Isolde an Maria, die neben ihr saß. Maria murmelte tröstende Worte.
    Tarcho, der sich offenkundig zu langweilen begann, zuckte die Achseln. Er griff in seine Tunika und zog ein arg ramponiertes Holztäfelchen hervor. »Du hattest recht. Jemand hat eine Abschrift angefertigt, zumindest aus der Erinnerung – ein Heide wahrscheinlich, der zu abergläubisch war, um das Risiko einzugehen, die Götter zu verärgern, indem er ihre Worte vernichtete; auch in diesem Punkt hast du recht. Hier.« Er warf es Nennius zu. »Ist wahrscheinlich sowieso alles eine Fälschung oder ein Schwindel.«
    Nennius nahm das Täfelchen und klappte es behutsam auf.
    Eine weitere Aufwallung von Schmerz, und da war Flüssigkeit zwischen Isoldes Schenkeln. Jetzt stieß sie einen Schrei aus. Maria tastete mit ruhiger Kompetenz zwischen Isoldes Beinen. »Das Fruchtwasser ist abgegangen. Oh, mein Gott, ich glaube, ich fühle seinen Kopf!«
    »Das kann nicht sein. Es ist noch zu früh«, keuchte Isolde.
    Maria krempelte die Ärmel hoch und bat Isolde, sich hinzulegen. »Die bestimmen ihren Zeitpunkt selbst,
meine Liebe.« Sie wandte sich an einen wartenden Diener. »Du da, hol meine Schwester her. Und bring uns sauberes Wasser und Tücher.«
    Der Diener eilte hinaus.
    Selbst jetzt galt Nennius’ Interesse noch mehr seiner kostbaren Prophezeiung als seiner Tochter. Er las: »›Ach Kind! Verwoben in den Wandteppich der Zeit, und dennoch frei geboren / Cum fortia sing ich dir von dem, was ist und was sein wird‹ … Sechzehn Zeilen – das
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