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Imperator

Imperator

Titel: Imperator
Autoren: Stephen Baxter
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durchdrungen.«
    »Oh, lass das nicht Augustinus hören …«
    Isolde hatte Pelagius einmal getroffen, als kleines Mädchen. Er war in Britannien geboren und ungefähr zehn Jahre älter als ihr Vater, und obwohl er kein Kleriker war, hatte er überzeugende Ansichten darüber entwickelt, welche Richtung die römische Kirche einschlug, die er für korrupt, unmoralisch und träge hielt. Und er hatte erhebliche Einwände gegen die Lehren von Augustinus vorgebracht, einem Bischof aus Afrika, der die Meinung vertrat, die Menschen seien von Geburt an mit fundamentalen Fehlern behaftet und ihre Handlungen hingen von Gottes Willen ab. Pelagius hingegen bestand darauf, dass die Menschen im Grunde gut und selbst für ihre moralische Entwicklung verantwortlich seien.
    »Aber eine Kirche freier Männer und Frauen kann vom Zentrum nicht kontrolliert werden und eignet sich darum nicht für eine imperiale Religion«, sagte Nennius düster. »Vielleicht wird die römische Kirche in Zukunft mit allen Pelagiern so verfahren wie mit Pelagius selbst … Stell dir das vor, Ambrosius! Exkommuniziert,
weil er behauptet hat, dass die Menschen einen freien Willen besitzen! Was ist nur aus der Welt geworden? Und welchen Weg nimmt unsere Kirche?«
    »Die Frage ist, welchen Weg nimmst du , mein Freund«, sagte Ambrosius mit sanftem Humor und schenkte Bier nach. »Bist du immer noch entschlossen, deinen Vetter am Wall aufzusuchen? Das wird keine leichte Reise.«
    »Nein. Aber wie ich dir geschrieben habe, ist es ein Traum von Freiheit, der mich dorthin zieht. Pelagius würde es gutheißen! Ein Traum, oder vielmehr ein Hinweis, ein verlockender Hinweis auf eine bessere Zukunft …« Und er begann, von einer Familiensage und von fragmentarischen Prophezeiungen zu sprechen, von Kaisern und historischen Ereignissen.
    Für Isolde näherte sich der Abend jedoch dem Ende. Erschöpft von der Reise, mit Speisen, Getränken und dem sanft schlummernden Kind im Bauch, entschuldigte sie sich und ging zu Bett. Die alten Männer unterhielten sich leise weiter, während der junge Damon, der am Feuer kauerte, so aufmerksam zuhörte wie ein junger Hund vor seinem Herrn.

III
    Für Isolde war die lange, mühselige Reise nach Norden zum Wall, am Rückgrat dieser tristen Insel entlang, eine wahre Tortur. Auf schlechten Straßen passierten sie eine schäbige ummauerte Stadt nach der anderen, und jedes Mal, wenn sie unsichtbare Provinzgrenzen überquerten, mussten sie weitere Zölle entrichten.
    Isolde war von den wogenden Schmerzen ihres Körpers derart in Anspruch genommen, dass sie die Veränderungen im Charakter der Landschaft kaum wahrnahm, von den wogenden Kalkhügeln des Südens mit ihren verlassenen Gehöften und befestigten Landhäusern zum zerklüfteteren Norden mit seinen abweisenden Kastellen. Aber je weiter nördlich man kam, desto weniger Sachsen sah man. Vielleicht hatten die Menschen im Norden andere Möglichkeiten gefunden, auf sich aufzupassen.
    Schließlich gelangten sie zum Wall. Obwohl der Anstrich verblichen war und man hier und dort auf primitive Weise ausgebesserte Schäden sah, war der Wall noch heil und sehr eindrucksvoll, und seine mächtigen Linien zogen sich über die schmalste Stelle des Landes.

    Und der Wall war bemannt. Nennius wandte sich nach Westen; sein Ziel war ein Kastell namens Banna. Bald erreichten sie ein Meilen-Kastell, wie Nennius es nannte; das Tor war mit Steinen blockiert. Zwei schmutzige Soldaten in wollenen Tuniken hielten sie an, um weitere Zölle aus ihnen herauszupressen. Den Soldaten zufolge unterstand die gesamte Linie des Walls dem Befehl des »Herzogs der britannischen Provinzen«. Die Soldaten gaben ihnen eine Quittung, die auf ein Holztäfelchen gekritzelt war, damit sie keine weiteren Zölle entrichten mussten.
    Isolde fand den Wall und seine Soldaten, sogar den Vorgang des Zöllezahlens, beruhigend vertraut. Lieber diesen Anschein römischer Lebensweise spüren, als wie im Süden für seinen Schutz auf die Horden blonder barbarischer Krieger angewiesen zu sein. Über den verwitterten Steinen der Meilen-Kastelle war jedoch keine Standarte errichtet; hier flogen keine Adler.
    Sie fuhren weiter nach Westen, vorbei an weiteren Meilen-Kastellen und Wachtürmen, bis sie schließlich Banna erreichten. Das Kastell breitete sich am oberen Rand eines eindrucksvollen Steilhangs aus, und im Süden schlängelte sich ein Fluss mit strahlend hellen Kiesufern durch bewaldete Gebiete. Die Nordmauer des Kastells fügte sich
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