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Immorality Engine

Immorality Engine

Titel: Immorality Engine
Autoren: George Mann
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Bainbridge und verneigte
sich noch einmal. »Es tut mir leid, dass ich Ihnen heute nicht weiter zu
Diensten sein kann.« Das war nichts anderes als ein höflicher Rauswurf.
    Bainbridge schnaubte vor Wut. »Also, so etwas auch! Das ist doch
völlig unbefriedigend. Ich verlange Auskunft von Ihnen, wo ich Sir Maurice
Newbury finden kann!«
    Die Miene des Kellners blieb unbeteiligt.
    Veronica legte Bainbridge eine Hand auf den Arm. »Sir Charles, bitte
hören Sie auf.«
    Bainbridge warf ihr einen empörten Blick zu, ließ aber immerhin von
dem kleineren Mann ab und stieß ein gedehntes Seufzen aus.
    Veronica nahm die Sache selbst in die Hand, ließ Bainbridges Arm
los, schob sich an dem Kellner vorbei und mied die Blicke der drei Männer, die
an der Rückwand rauchend und Karten spielend an einem kleinen Tisch saßen.
Einer von ihnen genoss das Schauspiel offenbar und beobachtete sie mit amüsiertem
Grinsen. Ihr entging nicht, dass er die beiden anderen – vermutlich waren
es Leibwächter – zurückhielt, als sie Anstalten machten, sich zu erheben
und ihr in den Weg zu treten. Sie fragte sich, ob es sich bei dem Anführer um
den Namensgeber und Besitzer des Lokals handelte. Wie auch immer, seine
Beweggründe begriff sie zwar nicht, aber er gewährte ihr freies Geleit.
    Veronica ignorierte die lauten Rufe des Kellners und stürmte weiter.
In der Rückwand verdeckte ein schwerer roter Vorhang den Blick aus der vorderen
Teestube auf die weitaus ungesünderen Ausschweifungen im Hinterzimmer.
    Â»Hier entlang.« Sie würdigte den hitzig protestierenden Kellner
keines Blickes und führte den Inspektor in den düsteren Raum hinter dem
Vorhang. Der Kellner zögerte nun, da es ihm offenbar widerstrebte, die Schwelle
der Teestube zu überschreiten und damit aus der Sicherheit seines angestammten
Reichs auf ein gefährliches, erschreckendes Territorium überzuwechseln. Ein
Reich abseits der geschäftigen Welt der Teetassen und des Zigarettenrauchs, wo
er eigentlich heimisch war. Ein Reich, in dem die Geister der Lebenden
umgingen.
    So kam es Veronica jedenfalls vor, als sie durch den Samtvorhang in
das große, opulent ausstaffierte Hinterzimmer trat.
    Das Licht war gedämpft, und ihre Augen brauchten einen Moment, um
sich umzustellen. Schwere rot und grün gefärbte Stoffe bedeckten die Wände, die
Fenster waren mit dicken Vorhängen verdunkelt. Diwane und Chaiselongues mit
seidenen Kissen standen in kleinen Gruppen beisammen, um diskrete und
behagliche Nischen für die Gäste zu schaffen. Zahlreiche Männer lagen
selbstvergessen auf den Polstern und schienen in den Fluten aus weichem Stoff
fast zu versinken. Die Luft war zum Schneiden dick von dem übelkeiterregenden
süßen Opiumrauch. Abgesehen von den Lauten, die von der Teestube
herüberdrangen, war es völlig still.
    Ein in rote Seide gekleideter Chinese ging zwischen den ins Leere
starrenden Gästen umher, kümmerte sich um ihre Bedürfnisse, füllte die Pfeifen
nach und rückte die Kissen zurecht. Als die Säume seines Cheongsam leise über
den Boden raschelten, bekam Veronica den eigenartigen Eindruck, dort schwebte
ein Geist und kein Mensch aus Fleisch und Blut. Die fettigen Rauchkringel, die
von den reglosen Gästen aufstiegen und durch die Luft wallten wie Seelen, die
aus toten Leibern entflohen, verstärkten den Eindruck noch.
    Veronica musste in den schweren Dämpfen husten und würgen und legte
sich eine Hand auf den Mund.
    Bainbridge sah sich unterdessen mit weit aufgerissenen Augen um.
»Diese Ausschweifung!«, rief er. »Diese Dekadenz!« Er stützte sich schwer auf
den Gehstock, als bedrückte ihn allein schon die Tatsache, dass er ein derart
hedonistisches Lokal betreten hatte.
    Veronica ließ endlich Bainbridges Ärmel los, schüttelte den Kopf und
drang langsam tiefer in den Raum vor. Sie wanderte zwischen den niedrigen Diwanen
und den aufgetürmten Kissen umher und suchte Newbury. Dabei musste sie über die
weit gespreizten Beine eines halb ohnmächtigen Chinesen steigen, dessen
Augenlider kurz, aber ohne sonderliches Interesse flatterten, als sie
vorbeikam. Bainbridge folgte ihr.
    Der Aufseher achtete kaum auf die beiden, als sie sich umsahen, und
blickte nur einmal kurz herüber, ehe er sich wieder den Gästen zuwandte. Das
plötzliche Erscheinen und die Unruhe, die Veronica und der Inspektor
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