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Immorality Engine

Immorality Engine

Titel: Immorality Engine
Autoren: George Mann
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tat
ihr weh, ihn in so elender Verfassung zu sehen. Am liebsten hätte sie ihn
gepackt, ihn geschüttelt und ihm eine kräftige Ohrfeige verpasst, um ihn
anschließend in die Arme zu nehmen und ihm zu versichern, dass alles wieder gut
werden würde. Aus tausend verschiedenen Gründen konnte sie ihm allerdings rein
gar nichts versprechen, denn sie war sich keineswegs sicher, dass wirklich
alles gut werden würde.
    Newburys Abhängigkeit von dem orientalischen Kraut war in den
letzten Monaten immer schlimmer geworden. Begonnen hatte es damit, dass er hin
und wieder nicht im Büro erschienen war. An sich war das für Newbury nicht
weiter ungewöhnlich, denn die Königin berief ihn oft kurzfristig ab, oder er übernahm zusammen mit Sir Charles einen
Fall und konnte den alltäglicheren Verpflichtungen nicht nachkommen.
    Doch er war unzuverlässig geworden und hatte immer häufiger gefehlt,
was schließlich auch anderen außerhalb des Museums aufgefallen war. Ihre
Majestät hatte Veronica einbestellt und verlangt, sie solle sich rechtfertigen
und erklären, warum Newbury nicht wie verlangt vor der Herrscherin erschienen
war. Außerdem warf die Königin die Frage auf, warum Veronica ihrer Pflicht
nicht nachkam, ihn auf dem rechten Weg zu halten. Die Monarchin hatte sie
streng ermahnt und ihr befohlen, den nachlässigen Newbury wieder zur Räson zu
bringen.
    Auch Sir Charles hatte Veronica mehr als einmal aufgesucht, seiner Sorge um den abwesenden Freund
Luft gemacht und sie bei der Gelegenheit auch gleich nach ihrer Ansicht zu
bestimmten Fällen gefragt. Sie hatte diese Bitten als willkommene Ablenkung
aufgefasst und war ihnen gern nachgekommen. Veronica nahm an, dass Sir Charles
sich zudem während Newburys Abwesenheit in gewisser Weise für sie verantwortlich
fühlte, als müsste er sie beschützen, und als wäre es seine Aufgabe, den Platz des Freundes einzunehmen, während dieser
»vorübergehend nicht bei bester Gesundheit« war, wie er es auszudrücken
pflegte.
    Ihrer Ansicht nach war es tatsächlich in gewisser Weise eine
Krankheit. Eine Art Gebrechen des Geistes vielleicht, das mit einem
körperlichen Leiden einherging. Newbury griff immer öfter zu dem Mittel, das er
ihr gegenüber einst als Werkzeug bezeichnet hatte, um gedankliche Klarheit zu
finden und seine Fälle zu lösen. Inzwischen litt er jedoch unter einer
körperlichen Abhängigkeit, und sein Körper gierte nach dem Kraut. Die Sucht war
so weit in sein Alltagsleben vorgedrungen, dass er keinen Schritt mehr ohne das
Rauschgift tun konnte. Soweit er überhaupt wahrnahm, dass es seiner Gesundheit
abträglich war, verschloss er davor die Augen.
    Sir Charles irrte sich. Dies war keine Phase, die irgendwann
vorübergehen würde. Ganz egal, was sie sich einredete, Newbury konnte nicht so
weitermachen. Sie musste eingreifen,
wenngleich nicht aus den Gründen, die Ihre Majestät genannt hatte. Es
ging nicht um die Königin, das Vaterland und die Sicherheit des Empire. Sie
musste es für Newbury tun, weil sie ihn liebte und nicht untätig zusehen
wollte, wie er auf langsame, elende Weise Selbstmord beging. Er würde lernen
müssen, ohne die Droge zu leben. Eine andere
Möglichkeit gab es nicht. Das einzige Problem, das musste sie sich leider eingestehen,
war die Tatsache, dass sie nicht die leiseste Ahnung hatte, wie sie es anpacken
sollte.
    Also schwieg sie wie die beiden Männer, die genau das Thema nicht
zur Sprache bringen wollten, das auch sie bewegte.
    Bald darauf hielt die Droschke stotternd vor der Leichenhalle
der Polizei an, und der Fahrer klopfte laut auf das Dach, um ihnen mitzuteilen,
dass sie ihr Ziel erreicht hatten.
    Bainbridge war schon aufgestanden und hatte die Kabine verlassen,
ehe Veronica auch nur dazu gekommen war, ihre Gedanken zu ordnen. Sie hörte,
wie er dem Fahrer einige barsche Anweisungen gab, was die schwierige Situation
natürlich keineswegs entspannte. Dann blickte sie zu Newbury, der in seinem
verknitterten Anzug schlaff auf der Bank hockte. »Sir Maurice, wir sind da.«
    Langsam und benommen hob Newbury den Kopf und blickte mit glasigen
Augen zum Fenster hinaus. »Ja, richtig, Miss Hobbes.« Er war heiser und
krächzte. Veronica fragte sich, ob es nicht ein großer Fehler gewesen war, ihn
aus der Opiumhöhle herauszuzerren.
    Dann schien es jedoch, als schöpfte
er neue Kraft. Er richtete sich
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