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Immer wenn er mich berührte

Immer wenn er mich berührte

Titel: Immer wenn er mich berührte
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verstehst du. Wenn jemand kommen sollte, er müßte an mir vorbei.«
    »Und wo treffen wir uns?« fragte Jürgen.
    »Unten an der Straße. Ich bleibe im Auto sitzen und warte.«
    »Du willst nicht dabei sein, nicht wahr?« Seine Stimme klang heiser.
    »Bitte, mach dich jetzt nicht lächerlich«, entgegnete sie heftig. »Was erwartest du eigentlich noch alles von mir? Ich denke, ich habe genug mit der Sache zu tun, oder?«
    »Ich bin dir ja auch dankbar dafür«, stieß er böse hervor.
    Hatte sie gelacht?
    Nein, das wohl nicht. Aber sie war aufgestanden und tastete sich an der Wand entlang zur Türe. »Du kannst es nicht mehr ungeschehen machen, Jürgen. Aber du kannst noch eine Menge Fehler machen, etwas von ihr hier liegenlassen oder den Deckel nicht verschließen oder den Spaten draußen vergessen …«
    »Es ist gut, Gaby. Ich werde keinen Fehler machen.«
    Die Tür fiel zu. Ihre Schritte entfernten sich. Wir sind zum letztenmal allein, dachte Janine. So wie wir in tausend Nächten miteinander allein waren, Mann und Frau …
    Jürgen stand an die Wand gelehnt. Nur wenige Schritte trennten ihn von der Leiche. Draußen sprang der Motor an, die Räder drehten sich …
    Das Mädchen, für das er das alles getan hatte, saß am Steuer. Sie fuhr jetzt durch die Nacht den Weg hinunter zur Straße, wenn er erschöpft in ihren Wagen fiel, dann war die letzte Arbeit getan. Dann sollte das kommen, was sie sich vorgestellt hatten: Aufatmen, leben, sich lieben, die Ehe eingehen, Kinder kriegen …
    Wußte er nicht längst, daß es nicht so sein würde? In meinen Armen wirst du vergessen, hatte sie ihm versprochen. Lüge war das. Niemand kann einen Mord vergessen, mag er auch nicht aufgedeckt sein, mag er zu den unerledigten Fällen gehören.
    Jürgen kapierte, daß das Gewissen keine Erfindung der Pfarrer war. Es war ein Gespenst, das ihn von nun an verfolgen würde. Wenn er in den Spiegel blickte, würde es ihn anstarren, wenn er Schlaf finden wollte, würde es ihn quälen, wenn er zärtlich sein wollte, würde es ihn erinnern.
    Langsam löste er sich aus seiner Starrheit. Er suchte nach der Taschenlampe, die er auf den Tisch gelegt hatte. Als der schwache Lichtkegel das Gesicht der Toten erfaßte, entfuhr ihm ein Schrei des Entsetzens, und er sackte auf die Knie, und er glaubte, wahnsinnig zu sein …
    Die Tote hatte die Augen geöffnet.
    Janine sah ihn an. Mit einem Blick, der ihn kriechen ließ, langsam zu ihr hinkriechen, der ihn nach ihren Händen tasten ließ, der ihn heulen ließ wie ein Kind, der ihn plötzlich betteln ließ: »Janine, ich wollte das nicht, ich bin nicht mehr der, den du geliebt hast, ich bin verrückt geworden.«
    Aber sie antwortete nicht. Die Hand, die er berührte, war kalt. Der Arm, den er hob, fiel leblos zurück. Und er konnte kein Herz schlagen hören, sein eigenes raste viel zu laut.
    Er wich zurück, richtete sich auf. Sie ist doch tot, dachte er. Es hat nichts zu bedeuten. Wenn sie nicht tot wäre, würde sie reden.
    Er kämpfte das Grauen nieder, das in ihm hochstieg. Er knipste die Lampe aus, faßte sich mit beiden Händen an die Schläfen. Mach dich nicht lächerlich, hatte Gaby zu ihm gesagt. Und vielleicht würde sie jetzt zu ihm sagen:»Na und? Was soll das alberne Getue? Die Toten haben gewöhnlich ihre Augen auf, man muß sie ihnen erst zudrücken. Hast du sie ihr vielleicht zugedrückt?«
    Nein, noch einmal wollte er sich nicht lächerlich machen. Gaby würde ihn zwingen, zurückzukehren, wenn er jetzt vor Janine wegliefe. Sie würde wieder wie am Flughafen zu ihm sagen: »Meinst du, ich ginge wegen dir ins Zuchthaus?«
    Jürgen lauschte im Dunkeln. Es war ganz still. Nur der Wind rüttelte ein bißchen an den Läden.
    Worauf warte ich, dachte er. Ich werde sie mit ihrem Mantel zudecken, dann brauche ich ihr nicht mehr ins Gesicht zu sehen …
    Haller mußte der Steigung wegen im ersten Gang fahren. Wenn er die Kurven nicht richtig nahm, konnten sie auch noch steckenbleiben.
    Das Geräusch des eigenen Motors machte sie taub für andere Geräusche. Deshalb bemerkten sie den entgegenkommenden Wagen erst, als zwei schwache Lichter aus der Dunkelheit heraus knapp vor ihnen auftauchten.
    »Da sind sie«, flüsterte Haller erregt. Der Schatten des Wagens hob sich jetzt deutlich ab. Die Straße war zu schmal zum Ausweichen. Die beiden Kühler schoben sich unerbittlich aufeinander zu.
    »Halten Sie an, Doktor«, stieß Karsch zwischen den Zähnen hervor, »und steigen Sie so schnell wie
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