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Immer wenn er mich berührte

Immer wenn er mich berührte

Titel: Immer wenn er mich berührte
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schloß er noch ab, ehe er davonrannte.
    Er wußte, daß Janine nicht tot war. Nicht ganz tot jedenfalls. Sie in diesem Zustand in den Schacht zu werfen, davor schreckte er zurück. Er schloß wie so oft schon in seinem Leben einen Kompromiß mit sich. Er überließ sie ihrem Schicksal.
    Jürgen lief, so schnell ihn seine Füße trugen. Je weiter er sich von dem Haus entfernte, um so mehr glaubte er eine Chance zu wittern.
    Als er die Straße erreicht hatte und nach Gabys Wagen Ausschau hielt, dachte er nicht mehr an Selbstmord.
    Nach kurzem Suchen fand er den Wagen. Sie hatte ihn ganz unter Bäumen versteckt geparkt. Als er näher kam, öffnete sie ihm die Türe.
    Er nahm sich zusammen. »Ich habe keinen Fehler gemacht«, sagte er beim Einsteigen. »Es ist alles erledigt.«
    Das war gelogen. Aber es tat ihm gut, sie anzulügen, ihr ins Gesicht zu lügen. Es war eine sinnlose, jämmerliche Rache.
    Dunkel und still lag das Haus vor ihnen, halb verborgen unter den schwarzen Tannen. Hier oben gab es noch ein bißchen Schnee, unregelmäßige weiße Flecken, und der nasse Waldboden roch nach Moder.
    Haller und Karsch waren stehengeblieben.
    »Kein Licht«, murmelte Haller. Ihm war, als erstickte dieses Haus unter der Last von Finsternis und Stille.
    »Pirschen wir uns von obenher 'ran«, meinte Karsch.
    Sie gingen ein Stück bergauf und kletterten dann über den Stacheldrahtzaun. Die Tannennadeln unter ihren Füßen waren glatt vom Schneewasser. Karsch rutschte aus und fluchte leise.
    Und dann erst sah er das Loch, in das er beinahe gefallen wäre.
    »Doktor«, stieß er hervor und packte Haller am Arm, »schauen Sie sich das mal an …«
    Ein viereckiges Loch. Daneben ein eiserner Deckel. Und ein Spaten.
    »Wie wenn hier jemand alles liegen- und stehengelassen hat«, flüsterte Karsch.
    Sie beugten sich über das Loch, aus dem ein eisiger Hauch aufstieg. Karschs Taschenlampe sandte einen Lichtpfeil in die Tiefe.
    »Donnerwetter. Wer da runterfällt, ist gut aufgehoben.«
    Stephan Haller antwortete nicht. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Er starrte auf den Spaten, den schweren, zur Seite geschobenen Deckel. Wer da runterfällt – – sollte hier nicht jemand runterfallen? War nicht alles dazu vorbereitet?
    Auf einmal war nur noch Panik in ihm, trommelnde, jagende Panik.
    »Kommen Sie, Karsch«, keuchte er und rannte auf das Haus zu, ohne auf den glitschigen Boden, knackende Äste, den Lärm seiner Schritte zu achten. »Kommen Sie … schnell …«
    Die Fenster waren schwarze, tote Augen hinter den Spalten der Läden, und die Tür, an der er rüttelte, war verschlossen. Er fand die Klingel, läutete. Der schrille Ton sprengte das Haus schier auseinander. Aber niemand rührte sich.
    Wo war Siebert, der doch eben noch hier gewesen sein mußte? Stephan Haller warf sich mit seinem ganzen Körper gegen die Tür. Wo war Janine? Lieber Gott, laß diese Tür einstürzen!
    Mit einem Ruck gab das Holz unter den Schultern der beiden Männer nach und fiel splitternd nach innen. Stephan bückte sich und ging vor Karsch hinein. Der Raum war riesengroß und dunkel, es dauerte eine Weile, ehe sie den Lichtschalter fanden.
    Dann standen sie unter einer schwarzen Holzdecke, unter Geweihen von Sechs- und Zehnendern. An der Wand hing eine alte Uhr. Der Perpendikel stand still, als wäre schon lange niemand mehr hier gewesen, für den Zeit und Stunde wichtig war.
    Stephan Hallers Blick glitt über den Gewehrschrank, den schweren Tisch, die altdeutschen Holzstühle.
    In der Ecke stand ein Kachelofen, ein großes, blaues Ungetüm. Und daneben, auf dem Boden, sah er Janines Mantel liegen.
    »Karsch!« Seine Stimme war ein heiseres Keuchen. Denn der Mantel lag nicht nur so am Boden, sie sahen es beide, er deckte etwas zu, etwas Lebloses.
    Es war Karsch, der den Mantel aufnahm. Und es war Stephan, der neben den blonden Haaren, neben dem blassen Mädchengesicht zu Boden stürzte.
    »Janine«, stammelte er, »Janine, Janine.«
    Ihre Augen waren offen, sahen ihn an mit einem Blick, der ganz fremd aus der Blässe kam.
    »Janine!« Er schüttelte sie und fühlte, wie ihr Körper nachgab, ohne Halt, ohne Reaktion.
    Aber sie lebte doch, sie sah ihn ja an, ihre Lider zitterten ein wenig. Stephan griff nach ihrer Hand. Wie kalt sie war, wie aus Eis. Der Puls kam schwach, fast nicht wahrnehmbar, aber immerhin, er pochte …
    »Janine! Was ist geschehen?«
    Ihr Mund zuckte, aber sie brachte keinen Ton hervor. Er las die Qual in ihren Augen.
    »Du mußt
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