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Immer dieser Michel

Immer dieser Michel

Titel: Immer dieser Michel
Autoren: Astrid Lindgren
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zugedeckt von dem elenden Schnee."
    Aber eine halbe Stunde reichte Michel.
    Das Wartezimmer des Arztes war voller Menschen, als Michel die Tür aufriß. Der Arzt steckte gerade den Kopf aus seinem Sprechzimmer, um zu sehen, wer als nächster an der Reihe war.
    Da brüllte Michel:
    "Alfred liegt draußen im Schlitten und stirbt!"

186
    Der Arzt begriff sofort. Er nahm einige Männer aus dem Wartezimmer mit hinaus, und dann trugen sie Alfred hinein und legten ihn auf den Operationstisch. Als der Arzt einen raschen Blick auf Alfred geworfen hatte, schrie er:
    "Geht alle nach Hause! Das hier ist ein dringender Fall, mit dem ich lange zu tun habe."
    Michel hatte gedacht, daß Alfred fast im selben Augenblick gesund werden würde, wenn sie zum Arzt kämen. Jetzt aber, als der Arzt den Kopf schüttelte wie Krösa-Maja, da wurde Michel ängstlich. Wenn es nun keine Rettung mehr für Alfred gab -wenn es nun trotzdem zu spät war? Es tat ihm weh, als er das dachte.
    Mit von Tränen erstickter Stimme bestürmte er den Arzt:
    "Du bekommst mein Pferd, wenn du ihn gesund machst . . . mein Schwein auch. Mach ihn bloß gesund! Glaubst du, daß du das kannst?"
    Der Arzt sah Michel lange an. "Ich werde tun, was ich kann, aber ich verspreche nichts!"
    Alfred lag da, Lebenszeichen gab er nicht gerade von sich. Aber plötzlich öffnete er die Augen und sah verwirrt auf Michel.
    "Da bist du, Michel", sagte er.
    Ja, hier ist Michel", sagte der Arzt. "Aber jetzt ist es besser, er geht eine Weile hinaus, denn nun muß ich schneiden, Alfred!"
    Da konnte man in Alfreds Augen sehen, daß er Angst bekam, er war Ärzte und Schneidereien nicht gewohnt.
    "Ich glaube, er ist ein wenig ängstlich", sagte Michel. "Es ist vielleicht gut, wenn ich bei ihm bleibe."
    Der Arzt nickte.
    Ja, hast du es geschafft, ihn hierherzubringen, dann wirst du dies wohl auch schaffen."
    Und Michel nahm die gesunde Hand von Alfred und hielt sie fest, während der Arzt an der anderen schnitt. Alfred sagte keinen Knips. Er schrie nicht, und er weinte nicht - nur Michel weinte ein wenig, aber so leise, daß man es nicht hörte.

187
    Erst am Tag vor Heiligabend kam Michel mit Alfred nach Hause.
    Da wußte ganz Lönneberga von seiner großen Heldentat, und alle jubelten.
    "Diesen Katthult-Jungen, den habe ich schon immer gern gehabt", sagten sie allesamt. "Ich kann nicht verstehen, weshalb sich einige Menschen immer so über ihn beklagt haben! Ein bißchen Unfug machen doch wohl alle Jungen!"
    Michel hatte übrigens vom Arzt für seine Eltern einen Brief mitbekommen. Darin stand unter anderem:
    "Ihr habt einen Jungen, auf den ihr stolz sein könnt." Und Michels Mutter schrieb in das blaue Schreibheft: "Mein Gott, wie das mein armes Mutterherz getröstet hat, das so oft an Michel verzweifelte. Und ich will schon sehen, daß die hier in der Gemeinde das erfahren werden, ja, jeder seins!"
    Aber ach, was für unruhige Tage hatten sie in Katthult gehabt!
    Als sie an dem furchtbaren Morgen entdeckten, daß Michel und Alfred verschwunden waren, da war Michels Vater so erledigt, daß er Bauchschmerzen bekam und sich ins Bett legen mußte. Er glaubte, er würde Michel nie im Leben wiedersehen.
    Aber dann war aus Mariannelund eine Nachricht gekommen, die ihn beruhigt hatte. Trotzdem hatte er noch immer Bauchweh, als Michel zurückkam und in die Kammer sauste, um seinem Vater zu zeigen, daß er nun wieder im Hause war.
    Michels Vater sah Michel an, und seine Augen glänzten.
    "Michel, du bist ein guter Junge", sagte er, und Michel wurde so glücklich, daß ihm das Herz im Leibe hüpfte. Dies war wirklich einer der Tage, an denen er seinen Vater gern hatte.
    Und Michels Mutter stand da und plusterte sich auf vor Stolz.
    Ja, er ist schon tüchtig, unser Michel", sagte sie und streichelte seinen wolligen Kopf.
    Der Vater hatte einen warmen Topfdeckel auf dem Bauch, der verteilte den Schmerz so schön. Aber jetzt war er kalt geworden, und es war nötig, ihn wieder zu wärmen.
    "Das kann ich", rief Michel eifrig, "ich kenne mich ja nun in Krankenpflege aus."

188
    Michels Vater nickte anerkennend.
    "Und du kannst mir dann ein Glas Saft geben", sagte er zu Michels Mutter. Herumliegen und umsorgt werden - ja, jetzt hatte er es wirklich gut!
    Michels Mutter hatte aber noch anderes zu tun, es dauerte eine Weile, bis der Saft fertig war, und gerade als sie ihn eingoß, hörte sie von der Kammer her ein unheimliches Gebrüll. Es war der Vater, der schrie. Die Mutter wartete nicht eine Sekunde,
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