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Immer diese Gespenster

Immer diese Gespenster

Titel: Immer diese Gespenster
Autoren: Paul Gallico
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denn es schien mir unfaßbar, daß jemand von der Familie Paradine vorsätzlich das zu zerstören beabsichtigte, was das Schloß zu erhalten ermöglichte. Ich verstand Miss Paradine nicht.»
    Heros Zuhörer seufzten fast einstimmig, und Lady Paradine flüster-* 1 te: «Ich wußte es. Ich wußte es. Sie hat uns immer gehaßt.»
    «Aber selbst Isobel täuschte sich in mancher Hinsicht», fuhr Herö weiter fort. «Einmal beurteilte sie Miss Marshall falsch und hielt sie für weniger mutig, als sie ist, und dann war sie der irrigen Meinung, Sir Richard habe sein Herz an Miss Marshall verloren. Dabei liebte er Iso-bels Nichte Elizabeth.»
    Alles horchte erstaunt auf, und Lord Paradine schien plötzlich ein Licht aufzugehen. Sir Richard nickte schweigend und legte die Hand auf die von Beth, die auf seinem Arm ruhte.
    «Der Spuk in Paradine Hall begann vor etwa drei Wochen mit den scheinbar übersinnlichen Manifestationen in Isobels Zimmer», sagte Hero. «Ich habe sie bereits früher als Auswirkung der abnorm hohen Flut auf die unterirdischen Wasserläufe erklärt. Ich bin überzeugt, daß Isobel die Ursache der Erschütterung kannte; trotzdem betrachtete sie die Tatsache, daß das Bildnis ihres Vaters von der Wand fiel, als ein Vorzeichen und Ausweg. Sie erkannte, wie sie ihre beiden Ziele erreichen konnte — durch die Angst vor dem Übersinnlichen. Die legendäre Nonne sollte wieder in Paradine Hall umgehen.»
    Susan Marshall holte tief Atem. «Aber diese entsetzliche Hand?» flüsterte sie.
    «Ja», antwortete Hero. «Isobel benutzte einen mit Eis und Wasser gefüllten Gummihandschuh — ein uralter spiritistischer Trick, auf den man leicht kommt. Wir sahen den Gummihandschuh, als wir zusammen im Anrichteraum waren. Das Eis darin erklärt auch den plötzlichen Temperatursturz, der bei Seancen oft empfunden und von Wissenschaft-’ lern wie Dr. Paulson genau aufgezeichnet und gemessen wird. Wie der Temperatursturz zustande kommt, kümmert sie dann allerdings weniger. Es tut mir leid, daß ich experimentieren mußte, Susan. Es war die einzige Möglichkeit, Gewißheit zu erlangen.»
    «Oh», sagte Susan und schauderte. «Sie fürchteten, es könnte ein zweites Mal...»
    Hero schauderte ebenfalls, denn er mußte an den Säureflecken vor ihrer Tür denken. Er antwortete: «Ich fürchtete, daß der Inhalt des Gummihandschuhs das zweite Mal nicht so harmlos sein würde. Wissen Sie, Sie sind sehr schön, meine liebe Susan.»
    Alle waren erschreckt über die Gefahr, der Susan ausgesetzt gewesen war. Lord Paradine rief aufgebracht: «Und dieses Ungeheuer haben Sie entwischen lassen! Wenn sie auch meine leibliche Schwester ist...»
    Hero blickte Paradine lange und ernsthaft an. «Sie hätten es mir nicht gedankt, wenn ich sie vor Gericht gebracht hätte, Sir. Sie war wahnsinnig, als sie Susan zu entstellen versuchte — wahnsinnig vor Eifersucht — , doch jetzt ist das vorbei.»
    Lady Paradine rief empört: «Sie wollte mein Kind töten!»
    Hero nickte ernst. «Vielleicht», sagte er, «obgleich wir nicht wissen, wie groß die Dosis war. Ihre Angriffe auf Susan Marshall hatten den Zweck, eine Rivalin aus dem Wege zu schaffen; aber als sie sich vor das fait accompli gestellt sah und erkannte, daß nicht Susan, sondern die eigene Nichte die Rivalin war und daß Beth und Sir Richard sich ihre Liebe gestanden hatten, verwandelte sich ihre Eifersucht in Wahnsinn. Es geschah in jener Nacht, da Sir Richard und Beth sich in der Bibliothek aussprachen. Isobel war Zeugin ihrer ersten Liebesworte.»
    «Du lieber Himmel!» rief Sir Richard. «War sie im gleichen Zimmer?»
    «Ja», antwortete Mr. Hero, «Isobel stand im Dunkeln, und zwar in der Nonnentracht, in der sie durch das Schloß zu geistern pflegte. Sie sah und hörte alles. Von dem Augenblick an veränderte sich die Situation und wurde tödlich.»
    Nach dem betretenen Schweigen, das auf diese Erklärung folgte, sagte Mark Paradine: «Und alles übrige, Sir? Die Harfe, die Kerzen, die von selbst erloschen, das Kaninchen auf Susans Teller und die Nonne auf der Orchestergalerie? Das konnte nicht Tante Isobels Werk sein, denn sie saß bei uns bei Tisch.»
    Hero antwortete: «Sie sahen die Nonne, weil Sie darauf vorbereitet waren. Wenn man seelisch auf etwas eingestellt ist, genügt ein über eine Stuhllehne geworfener Mantel, ein Schatten, ein wehender Vorhang, um die Vorstellung von einem Gespenst in uns zu wecken. Isobel hatte die Vorhangfalten auf der Musikgalerie vorher so geordnet,
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