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Immer diese Gespenster

Immer diese Gespenster

Titel: Immer diese Gespenster
Autoren: Paul Gallico
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Nachforschungen, bevor ich herkam und kurz nachher galten der Legende. Der alte Küster drüben in East Walsham hat gründliche Untersuchungen angestellt und sie in einem Band gesammelt. Selbst die Ruinen von St. Relinda beweisen, daß die ganze Sache unsinnig ist. Die Tragödie der Nonne soll ungefähr im Jahre 1564 stattgefunden haben, als Königin Elizabeth regierte und Lord Philip Paradine dreißig Jahre alt war. Ihr Name soll Schwester Rose und der ihres Verlobten, dem der verruchte Lord Paradine sie abspenstig machte, Thomas Drew gewesen sein. Aber die alten Urkunden beweisen, daß das Kloster St. Relinda im Jahre 1539 niederbrannte und nicht wiederaufgebaut wurde.»
    Susan Marshall rechnete im Kopf rasch nach, und ihre Augen leuchteten belustigt auf. «Dann war...» begann sie.
    «Genau», schloß Mr. Hero feierlich, «Lord Paradine verführte das Mädchen im reifen Alter von fünf Jahren.»
    Vetter Freddie kicherte. «Tolle Kerls, die Paradines...»
    Mark Paradine sagte: «Und die Legende von der Harfe?»
    «Ist ebenso unsinnig», antwortete Hero. «Niemand fand es merkwürdig, daß Schwester Rose so ohne Schwierigkeit von der zwölfsaitigen irischen Harfe des sechzehnten Jahrhunderts zur vierundsechzigsaitigen, sechseinhalb Oktaven umfassenden, modernen Doppelpedalharfe übergehen konnte! Aber der springende Punkt ist, daß sie überhaupt nicht Harfe hätte spielen können — Bauernmädchen erhielten im sechzehnten Jahrhundert keinen. Musikunterricht.» Der Parapsychologe lachte plötzlich. «Die Geschichte pflegt in der Rückschau immer wilder und lockerer zu werden; Vorfahren werden zu ruchlosen Bösewichten, weil niemand anständige und tugendhafte Ahnen haben will. In unserem Fall wurde ein ehrbarer Butler in einen Bauernjungen verwandelt, der vor den Mauern von Paradine Hall nach seiner verlorenen Rose schmachtete. Sein Name lautete tatsächlich Thomas Drew und der seiner Frau Rose. Sie heirateten 1569 und waren Dienstboten bei Philip und später noch ein halbes Leben lang bei seinem Sohn William, dem vierten Lord Paradine.»
    Beth, die von ihrem kürzlichen Erlebnis immer noch angegriffen aussah, doch nun weniger schüchtern war und sich in ihrer neugefundenen Liebe sicherer fühlte, rief aus: «Aber wenn es nie eine Schwester Rose gab, dann...»
    «Zu diesem Schluß bin ich auch gekommen», sagte Hero. «Daß nämlich irgend jemand im Schloß ein übles Spiel spielte. Wenn jemand sich als Gespenst verkleiden will, eignet sich nichts so gut dazu wie eine Nonnentracht, die sich leicht von einem Kostümverleiher beschaffen oder aus einer Mönchskutte mit Kapuze herstellen läßt. In einem dunklen Korridor gleicht eine solche Gestalt ohne weiteres einem Gespenst, ob nun ein Mann, eine Frau oder ein Kind drin steckt. In diesem Fall war es eine Frau, Miss Isobel.»
    Lord Paradine sagte: «Aber warum, um Himmels willen — warum hat sie es getan? Haben Sie eine Ahnung, welche Gründe sie hatte?»
    Hero antwortete: «Ja. Miss Paradine hat sie mir verraten.»
    Alle blickten Hero gespannt an.
    «Sie lag bewußtlos am Boden, weil sie Benzindämpfe eingeatmet hatte», berichtete Hero. «Wäre es ihr gelungen, die Lampe umzuwerfen, wäre das Schloß in Flammen aufgegangen und Sie alle darin umgekommen. Ich schlug ein kleines Kellerfenster ein, um frische Luft hereinzulassen. Dann legte ich sie auf eine Couch in der Gerümpelkammer und wartete, bis sie zu sich kam. Ihre erste Frage war: Und als ich ihr schilderte, was sich zugetragen hatte, schien sie weder froh noch traurig zu sein, sondern einfach apathisch. Sie wirkte ganz verändert, so als wäre sie über einen Berg gegangen und würde nie wieder zurückkehren. Ich möchte fast sagen, daß die Besessenheit von ihr gewichen war. Im Mittelalter hätte man gesagt, daß die Teufel, die sie in ihrer Gewalt hatten, geflohen waren. Und das ist gar nicht so falsch. Wir saßen lange zusammen und sprachen miteinander.» Er hielt inne.
    Lord Pardine war wieder irritiert wie immer, wenn er etwas nicht verstand; die mittelalterliche Gedankenwelt sowie die Theorie der Besessenheit waren ihm absolut fremd. Er sagte: «Nun, fahren Sie fort. Was hat sie gesagt?»
    Mr. Hero zog seine schwarze Pfeife aus der Tasche. «Darf ich Vorschlägen, daß wir nicht weiter darüber reden? Die Gespenster von Paradine Hall sind vertrieben — der Fall ist abgeschlossen.»

28

Wie Gespenster entstehen

    Die Familienmitglieder blickten sieb an,
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