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Immer diese Gespenster

Immer diese Gespenster

Titel: Immer diese Gespenster
Autoren: Paul Gallico
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nervös zu machen. Es gelang über Erwarten gut, und Noreen wurde zum Poltergeist.»
    Sir Richard sagte ungläubig: «Wie kann ein Kind lernen, seine Umgebung so zu täuschen?»
    «Die Poltergeist-Kinder haben eine rasche Auffassungsgabe», sagte Hero. «Außerdem sind die Leute erstaunlich leichtgläubig und blind. Wenn einmal ein Poltergeist-Kind in einem Haus sein Unwesen treibt, wird jedes normale Geräusch und jeder verlorene Gegenstand ihm zugeschrieben, ob nun eine Tür ins Schloß fällt, ein Balken kracht, ein Vorhang sich bewegt und Dinge wie Scheren, Brillen, Füllfederhalter, Bücher vermißt werden. Noreen war sehr gelehrig und brachte es bald zu erstaunlichen Leistungen. Sie bewegte damals während des Abendessens den Sessel...»
    «Was?» unterbrach ihn Lord Paradine. «Den Sessel, mit dem ich mich abmühte und der mich über den Haufen warf? Unmöglich!»
    «Ich muß Sie da leider enttäuschen», antwortete Hero. «Wie bei allen Zauberkunststücken ist auch hier die Erklärung ganz einfach. So einfach, daß sogar ein Kind darauf kommen konnte. Man schlingt eine starke Schnur um die Beine des Sessels, führt die Schnur unter dem Teppich durch und hält die beiden Enden unter dem Tisch fest. Wenn man zieht, bewegt sich der Sessel scheinbar von selbst, und derjenige, der die Lehne anfaßt, kann ihn nicht zum Stehen bringen, da der Zug auf die Stuhlbeine wirkt. Läßt man ein Schnürende los, wird die Zugkraft aufgehoben, und wer in diesem Augenblick an der Lehne zerrt, fällt rücklings hin.»
    «Plumps auf den Hintern», murmelte Freddie.
    «Das Kaninchen hatte sie natürlich unter ihrem Kleid versteckt», schloß Hero.
    «Was hatte sie denn gegen mich?» rief Susan erstaunt aus. «Ich war doch immer freundlich zu ihr und schoß ihr Tennisbälle zu, die sie nicht traf...»
    «Nichts», erklärte Mr. Hero. «Sie bewunderte Sie sehr und bat mich ausdrücklich, Ihnen zu sagen, wie leid ihr die Sache mit dem Kaninchen tue. Es handelte sich um ein Mißverständnis. Da Isobels und ihre eigene Vorstellung auf die gleiche Zeit angesetzt waren, irrte sich Noreen und legte das Kaninchen in der Dunkelheit auf den falschen Teller. Sie hatte nicht gewußt, daß die Kerzen ausgehen würden. Für ihre eigenen Tricks wäre das nicht nötig gewesen, denn der Sessel stand an der Wand im Dunkeln. Ihr Plan war, das Kaninchen ihrer Mutter auf den Teller zu praktizieren, während alles gebannt auf den Sessel starrte. Aber Isobel, die für das Erscheinen der Nonne auf der Musikgalerie kein Licht brauchen konnte, kam dieses Ablenkungsmanöver höchst gelegen.»
    «Soll das heißen, daß Isobel mit dem schrecklichen Kind gemeinsame Sache machte?» fragte Lady Paradine.
    «Durchaus nicht», erwiderte Hero. «Sie gingen ganz selbständig vor, aber Isobel war im Bild. Sie hatte Noreen beobachtet und auf frischer Tat ertappt, ließ sie aber ruhig weitermachen, da es ihr ausgezeichnet in den Kram paßte. Was Isobel aber entging, war, daß es ganz verschiedene Kategorien von Gespenstern gibt. Während jenes denkwürdigen Abendessens ereigneten sich vier Dinge: der Sessel bewegte sich, die Kerzen verlöschten, die Nonne erschien auf der Orchestergalerie und ein totes Kaninchen lag auf Susans Teller. Jeder Kenner des Okkulten mußte auf den ersten Blick erkennen, daß die Kerzen und die Nonne sowie der Sessel und das Kaninchen zusammengehörten. Es handelte sich eindeutig um zwei verschiedene Gespenster.»
    «Der Meisterdetektiv kann wohl auch erklären, wie eine Harfe in einem verschlossenen und leeren Zimmer ertönt», sagte Vetter Freddie. «Sie wollen doch nicht etwa behaupten, daß Sie von Anfang an Isobel verdächtigt haben?»
    Hero antwortete nach kurzer Überlegung: «Nein. Ich stand genau wie Sie vor einem Rätsel, und es beunruhigte mich sehr. Ich glaubte zum erstenmal, auf eine echte übernatürliche Erscheinung gestoßen zu sein.
    Es ging tatsächlich etwas Übernatürliches im Schloß vor, aber ich war auf der falschen Fährte. Sie erinnern sich vielleicht noch meiner Definition des Übersinnlichen — etwas, was ich nicht verstehe oder selber nachmachen kann. Das Spiel der Harfe schien in diese Kategorie zu gehören, obwohl das verschlossene Zimmer dagegen sprach.»
    Er richtete seine ernsten, intelligenten Augen auf Vetter Freddie und sagte ohne Groll: «Sie haben mir die zweifelhafte Ehre erwiesen, mich einen Detektiv zu nennen; was jeder Forscher aber benötigt, ist in erster Linie etwas Glück. Mir war das Glück
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