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Immer diese Gespenster

Immer diese Gespenster

Titel: Immer diese Gespenster
Autoren: Paul Gallico
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Menschen mit ausgeprägter Persönlichkeit gewesen sein. Daraus folgt, daß auch Gespenster einen bestimmten Charakter haben.»
    Vetter Freddie kicherte und sagte: «Quod erat demonstrandum, Herr Professor.»
    Lady Paradine fragte: «Was heißt das, Freddie? Ich verstehe es nicht.»
    Lord Paradine antwortete: «Macht nichts, meine Liebe. Fahren Sie fort, Hero.»
    Hero sagte: «Es waren deutlich drei Gespenstererscheinungen mit ganz verschiedenen Eigenschaften. Die erste richtete in Isobels Zimmer sinnlos Schaden an. Die zweite, der Poltergeist, war mutwillig, schelmisch, eigenwillig und manchmal boshaft; die Kunststücke, die er zum besten gab, waren naiv und kindlich — er krümmte keinem Menschen ein Haar und konzentrierte seine Aufmerksamkeit vor allem auf Mrs. Spendley-Carter, eine hochgradig neurotische Frau. Außerdem legte er etwas Widerliches auf Susan Marshalls Teller. Ein drittes Gespenst von eindeutig bösartigem und gefährlichem Charakter richtete seine Angriffe auf Susan Marshall und den Paradine Country Club. Das vierte und letzte Gespenst, auf das ich noch zu sprechen kommen werde, hatte es auf mich abgesehen. Alle diese Mächte handelten anfänglich ganz selbständig, gerieten dann aber zwangsläufig in eine gewisse Abhängigkeit voneinander. Dazu ist zu bemerken, daß Gespenster im allgemeinen Einzelgänger sind und nicht zusammen arbeiten. In unserem Fall schienen alle Gesetze des Übernatürlichen aufgehoben zu sein, kurz gesagt, die Geister benahmen sich wie Menschen von Fleisch und Blut.»
    Hero hielt inne und schaute seine Stiefschwester an. Er sagte: «Als ich zu dieser Feststellung gelangte, hielt ich den Zeitpunkt für gekommen, Margaret mit ihrer Sammlung von Fotoapparaten samt infrarotem Film und Blitzlicht für Nachtaufnahmen herzubitten. In der Nacht nach ihrer Ankunft erfolgte die Heimsuchung, in deren Verlauf es uns gelang, die Nonne zu fotografieren.»
    Alle horchten auf. Hero zog eine Vergrößerung des Bildes aus der Tasche und hielt es in die Höhe. «Sie sehen hier deutlich, daß die Nonne stofflich ist. Es existiert meines Wissens keine echte Fotografie eines Gespenstes, denn dieses müßte ja für das Kameraauge durchsichtig sein. Mit anderen Worten, die Linse würde überhaupt nichts registrieren. Hier haben wir also die Nonne, die mit dem Fuß den Auslöser des infraroten Blitzlichts betätigte. Unglücklicherweise ließ sich nicht feststellen, wer in dem Ordenskleid steckte. Daher standen Sie einige Zeit alle unter Verdacht.»
    Lord Paradine warf ihm einen entrüsteten Blick zu. Mark Paradine fragte: «Wie kam es, daß niemand von uns etwas von Tante Isobels Tun bemerkte?»
    «In der Rückschau mag es unverständlich sein», antwortete Hero, «aber Miss Paradine kannte sich im Schloß aus wie niemand sonst. Wahrscheinlich gibt es hier geheime Gänge,, die es ihr ermöglichten, nach Belieben zu erscheinen und zu verschwinden. Sie war technisch begabt und verstand mit Werkzeug umzugehen. Viele kleine Reparaturen im Haus besorgte sie ja selbst, und es war daher für sie leicht, Sicherungen ein- und auszudrehen, Türen zu schließen und zu öffnen, in den Wasserleitungen Geräusche hervorzurufen und Susans Zimmer auszuräumen, bevor die Geisterbeschwörung begann. Da die Manifestationen in Isobels Zimmer ihren Anfang nahmen und sie das erste Opfer war, kam niemand auf den Gedanken, sie zu verdächtigen. Was man nicht sucht, sieht man nicht.»
    Susan Marshall dachte angestrengt nach. «Aber sie war ja nur ein Gespenst», sagte sie. «Wie steht es mit dem Sessel, der sich bewegte, und dem toten Kaninchen auf meinem Teller?»
    «Oh», erwiderte Hero, «das war die kleine Noreen. Ich sagte Ihnen ja bereits, daß wir hier im Schloß eine ganze Reihe von Gespenstern beherbergten.»
    «Noreen!» riefen alle erstaunt.
    «Ja», bestätigte Hero. «Noreen war der Poltergeist im Ostflügel. Es ist gewöhnlich ein boshaftes oder rachsüchtiges Kind, ein hysterisches Dienstmädchen oder eine neurotische Frau. Während Isobel damit beschäftigt war, Susan Marshall und die Gäste des Country Clubs aus dem Schloß zu vertreiben, hatte Noreen nur das Ziel, ihre Mutter zu erschrecken. Sie ist ein adoptiertes Kind, und ihre Eltern sind nicht besonders nette Leute. Als die ursprüngliche sogenannte Heimsuchung in Isobels Zimmer ihre Mutter erschreckte, beschloß sie, sie noch häufiger in Angst zu versetzen. Eines Tages, als sie sich unbeobachtet fühlte, warf sie einen Gegenstand, um ihre Mutter
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