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Imagon

Imagon

Titel: Imagon
Autoren: Michael Marrak
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erinnernde Kreaturen unentwegt im Kordon umherkrochen, um für gewisse Zeit mit gleichartigen Wesen zu verschmelzen, rührten sich die mächtigsten unter ihnen kaum von der Stelle. Sie ließen nur träge ihre Tentakel durch die Luft wandern, gigantischen Hexakorallen gleich, die ihre Polypen auf der Suche nach Beute in der Dünung bewegten.
    Mein Denken wurde überflutet von einer Vielzahl unbeschreiblicher Eindrücke und Stimmen, die in meinem Kopf zu einer Kakophonie anschwollen und hinter meiner Stirn Bilder aufblitzen ließen, die zu beschreiben ich nicht fähig bin und für die es keine Worte gibt. Minutenlang saß ich mit geschlossenen Augen da, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Dann, von einem Moment zum anderen, verebbte die unerträgliche Flut von Sinneseindrücken wieder.
    In weiter Ferne war ein schillernd weißer Plasmaberg aufgetaucht, der rasch an Größe gewann, sodass ich mich der Vermutung nicht erwehren konnte, er bewege sich auf mich zu. Von Angst und Abscheu gelähmt, sah ich dem Ding, das wie eine Hunderte von Metern hohe Amöbe herankroch, mit weit aufgerissenen Augen entgegen.
    Ich kannte seinen Namen.
    Er kam zu mir, einzig und allein zu mir …
    Die mich umringenden Kreaturen wichen vor dem herangleitenden Giganten zur Seite. So mannigfaltig sie auch waren, spotteten sie jedem Vergleich zu dem metamorphen Albtraum, der den Horizont hinter seiner Masse verschwinden ließ. Als ich den sich langsam hebenden Seesternkopf erkennen konnte, warf ich mich panikerfüllt herum und rannte davon, doch es glich einer Flucht vor meinem eigenen Schatten. Als ich im Laufen zurückblickte, sah ich keine Landschaft mehr, nur noch den weit geöffneten Seesternkopf über einem prometheischen Konglomerat schillernder, transparenter Anomalien. Ich stolperte und stürzte mit einem Schrei höchster Verzweiflung – und bevor ich mich erheben und meine sinnlose Flucht vor dem Unausweichlichen fortsetzen konnte, war er rüber mir …

 
24
     
     
    Nie hätte ich geglaubt, die Augen noch einmal aufzuschlagen.
    Als ich erwachte, starrte ich auf eine grau-schwarze Felsdecke. Helles Mondlicht fiel in den Raum, begleitet vom Heulen des Windes. Ich lag splitternackt in der Lache einer übel riechenden, halb getrockneten Substanz und spürte weder die Kälte des Sturmes, der durch die Öffnung in der Gebäudewand leckte, noch einen Schmerz in meinem Körper. Ich hatte das Gefühl, aus einem langen, tiefen Schlaf erwacht zu sein und dennoch weiterhin zu träumen. Wie lange ich bewusstlos gewesen war, konnte ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Tage womöglich, vielleicht sogar Wochen. Ich war nicht einmal sicher, ob mein Erwachen real war, denn ich fühlte keinen Puls. Und ich betete – vergebens – dass ich nicht sein mochte, wofür ich mich hielt.
    Ich lag in einem jener schmucklosen Räume, die ich gemeinsam mit DeFries, Maqi und Talalinqua einst beim Erkunden des Tempels durchquert hatte. Wie ich in diese Welt zurückgelangt war und was mich hier im Schutz der Mauern zurückgelassen hatte, wusste ich nicht. In der Außenwand des Gebäudes klaffte ein riesiges elliptisches Loch von über zehn Metern Breite und annähernd vier Metern Höhe. Dahinter tat sich ein Tunnel auf, der durch Eis und Gestein diagonal in die Höhe geschmolzen worden war und durch den das Mondlicht fiel. Vielleicht war es das Licht, das mich geweckt hatte.
    Benommen erhob ich mich und kroch auf allen Vieren hinauf zur Oberfläche. Dort angekommen, verweilte ich und ließ meinen Blick über den Grund des Kraters schweifen. Keine Menschenseele hielt sich auf dem Eis auf. Von den Helikopterwracks war ebenso wenig zu sehen wie von jenen, die gekommen sein mussten, um die Spuren der Zerstörung zu beseitigen. Eine Knie hohe Schneeschicht lag über dem Eis, doch kein einziger Fußabdruck war in sie eingeprägt. Nun, nachdem der Shoggothe seine Eishöhle verlassen hatte, schienen auch die Naturgesetze wieder hergestellt.
    Vom Ausgang des Tunnels führte eine Kriechspur hinaus auf den gefrorenen See, breit wie ein Flussbett und über einen Meter tief, als sei ein Strom heißen Schmelzwassers vom Plateau gestürzt, habe sich seinen Weg durch den Krater gebahnt und sich schließlich hier ins Gebäude ergossen. Doch das, was diese Spur geschaffen hatte, war nicht vom Plateau herabgekommen, sondern aus den lichtlosen Tiefen des Mount Breva. Es war über die Abgründe und durch den Tunnel, der mich nach Qur hinabgeführt hatte, emporgestiegen, hatte die
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