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Im Zimmer wird es still

Im Zimmer wird es still

Titel: Im Zimmer wird es still
Autoren: Jan Walther
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still, ohne ein Wort. Er muss nur daliegen. Hände auf seiner Brust, warme Lippen an seinem Bauch, seinen Schenkeln, die sich festsaugen, ihn zum Stöhnen bringen. Ein Mund, der ihn aufnimmt, eine Zunge in seinem Rachen. Als er kommt, stöhnt er laut auf. Dann schläft er ein, einen warmen Männerkörper vor sich, einen hinter sich, ein starker Arm, der sich um ihn legt.

2
    Die Dämmerung schimmert hinter den Vorhängen. Es ist noch nicht spät. Im Wohnzimmer ist es halbdunkel. Andreas hat sich schon zurückgezogen. Er ist allein. Aber er kann noch nicht schlafen, das weiß er. Er könnte wieder Licht anmachen, auf dem überfüllten Schränkchen neben dem Bett steht eine Lampe. Es liegen auch zwei Bücher da. Aber er braucht kein Licht. Lesen, das Buch halten, Zeile für Zeile folgen, mühsam umblättern. Das alles strengt ihn an.
    Er könnte den Fernseher anmachen, aber das will er nicht. Er sieht nur noch selten fern. Zu laut und aufdringlich erscheint es ihm. Mark hat eine Universalfernbedienung mit großen Tasten besorgt, damit kann er auch die Stereoanlage bedienen. Er liebt es, Musik zu hören, CDs oder Platten, die er schon lange nicht mehr aufgelegt hat, er freut sich an Schätzen, deren er sich gar nicht mehr bewusst war. Andreas kramt sie tief unten aus den Regalen hervor und legt sie ihm auf.
    Durch seinen Kopf huscht eine Melodie, Töne, die sich ausbreiten, den Raum erfüllen. Andreas sitzt neben ihm, lauscht der Musik, schließt die Augen, lächelt. Er streckt die Hand nach dem Bild aus. Die Musik in seinem Kopf zerrinnt, wiederholt nur noch denselben gleichförmigen Akkord. Er bemerkt, wie still es im Zimmer ist, draußen fährt ein Auto vorbei, dann dringen keine Geräusche mehr herein. Er greift zum Babyfon, das auf dem Schränkchen steht. Das andere ist drüben im Gästezimmer. Wenn er Hilfe braucht, kann er die Gegensprechfunktion einschalten. Er hält es sich manchmal ans Ohr. Hört dann Andreas’ ruhige Atemzüge.
    Er presst das Gerät fest ans Ohr. Zuerst hört er gar nichts, dann ein Rascheln, nach einem Moment Stille ein Stöhnen. Das Stöhnen wird heftiger, dann kommt der Aufschrei, der ihm so vertraut ist. Er erinnert ihn an die vielen Male, als er dieses Stöhnen, dieses kurze Aufschreien an seinem Ohr gehört hat. Es fällt ihm immer schwerer, die Erinnerung lebendig zu halten. Zu fremd sind seinem Körper diese Empfindungen geworden. Begehren ist nur noch eine Erinnerung aus einer lange vergangenen Zeit, etwas, das ihm nurmehr in seinen Träumen begegnet.
    Er schließt die Augen. Selbst die Erinnerung an den Körper, der so oft und selbstverständlich nackt in seiner Nähe gewesen ist, formt sich manchmal nur blass und verschwommen. Details sind am lebendigsten, die hervortretende Linie des Schlüsselbeins, der Schwung des Ohres, seine weichen Lippen in Momenten der Lust. Das Gesicht wird jünger, mit einem unschuldigen, anziehendem Ausdruck, eine sehr alte Erinnerung, ein erster Eindruck. Ein Abendessen bei Freunden, ihm wurde ein neues Gesicht vorgestellt. Ein sehr junger Mann, Mitte oder Ende zwanzig, ziemlich hübsch, noch ein bisschen jungenhaft. Als alle sich setzten, wurde er neben ihm platziert. Sie wechselten ein paar Worte über das Essen. Er mochte seine Zurückhaltung, hinter der er auch ein ruhiges Selbstbewusstsein wahrnahm. Das weckte sein Interesse.
    Als alle auf die Terrasse hinaustraten, setzten sie sich nebeneinander in zwei Liegestühle, ganz natürlich, als würden sie sich schon lange kennen. Sie unterhielten sich. Er mochte, wie der Junge aufblühte, als er ihm zuhörte, und dass es sich lohnte, ihm zuzuhören. Mochte, wie sie miteinander schweigen konnten.
    Andreas’ fast schwarze Haare standen im Kontrast zu seiner hellen Haut und seinen braunen Augen. Seine Jungenhaftigkeit gepaart mit der etwas zu ernsten Reife, die er mit seinen zweiundzwanzig Jahren hatte, reizte ihn.
    Sie verabredeten sich für einen Spaziergang, ohne dass er sich viel dabei dachte. Als sie sich in der dunklen Straße verabschiedeten, wollte er Andreas umarmen, ließ es aber, als er den Widerstand im Körper des jungen Mannes spürte.
    Er ertappte sich dabei, dass er im Lauf der Woche häufig an Andreas denken musste. Schüttelte den Kopf und musste über sich selbst lachen. Beim Spaziergang im Park nahm er Andreas’ Hand, einfach so, weil ihm danach war. Obwohl vereinzelt Leute guckten, zog er seine Hand nicht zurück, was ihn freute. Sie gingen weiter nebeneinander her. Der junge Mann
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