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Im Zeichen des Adlers

Im Zeichen des Adlers

Titel: Im Zeichen des Adlers
Autoren: Vampira VA
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werden wir zu Tieren - aber sind wir das dann noch selbst, in dieser anderen Gestalt, die von kannibalistischer Lust beseelt ist .?
    Solchen und ähnlichen Gedanken war Chiyoda oft nachgegangen in all den Jahren, und im Grunde war sein Wunsch, den dunklen Trieb im Zaum halten zu können, aus Überlegungen wie diesen hervorgegangen - vor langer, sehr langer Zeit. Antworten indes hatte er nie gefunden, keine endgültigen zumindest.
    Wie er überhaupt wenig wußte über das Wesen seiner Art. Weniger jedenfalls, als andere glauben mochten. Sie hielten seine mitunter philosophischen Worte für etwas wie einen Mantel, den er über die Wahrheit breitete. Dabei waren sie nur in langen Jahren gesponnene und endlich ausgesprochene Gedanken, mit denen er selbst der Wahrheit nachspürte - ohne sie je gefunden zu haben. Oder wenigstens keine wirkliche - nur mögliche . ..
    So wußte auch Chiyoda nicht verbindlich zu sagen, wo der Ursprung der Werwölfe lag. Wohl kannte er einige Erklärungen, aber die einzig wahre mochte vielleicht nicht einmal darunter sein .
    Es kümmerte ihn nicht sonderlich. Wozu sollte er diese Quelle auch in Erfahrung bringen? Er hatte erreicht, was sein Ziel war, hatte dem Bösen entsagt - und wer wollte, dem verriet er, wie es zu bewerkstelligen war. Nach mehr stand ihm nicht der Sinn.
    Chiyoda betrat das Sanktuarium, jenen Raum des Klosters, in den er sich zurückzuziehen pflegte, um zu meditieren, und schloß die mit Schnitzereien verzierte Tür hinter sich. Die Laute seiner sicher verwahrten Schüler, die gegen ihren Trieb ankämpften, wurden gleichsam ausgesperrt. Vollkommene Stille umfing den Alten - nur tief in sich vernahm er ein Geräusch; etwas wie ein verhaltenes Knurren .
    Chiyoda lachte lautlos und strich sich wie besänftigend über die magere Brust unter der schlichten Kutte.
    »Du kannst es nicht lassen, wie?« fragte er amüsiert und fügte dann in ernstem, fast bedauernden Ton hinzu: »Aber nach all den Jahren werde ich mich hüten, deine Ketten auch nur noch einmal zu lösen. Weil ich fürchte, du würdest dich nicht wieder gefangennehmen lassen - alter Freund .«
    Als sich der Alte in die seidenen Kissen sinken und vom Duft des Räucherwerks umspielen ließ, dachte er an jenen Mann, von dem er sich draußen verabschiedet hatte.
    Obwohl Chiyoda sich seinen Schülern gegenüber meist mehr oder minder gleichgültig gab und auch darauf achtete, keine allzu tiefreichenden Beziehungen aufzubauen, interessierte ihn der weitere Werdegang dieses Werwolfs. Irgend etwas Besonderes hatte ihm angehangen.
    Vielleicht, dachte Chiyoda, war er menschlicher als alle anderen. Und vielleicht wünsche ich ihm deshalb Glück auf seinem Weg - der ihn irgendwann zu mir zurückführen möge ...
    ... wenn er überlebt, was er vorhat.
    Chiyoda seufzte. Er haßte Gedanken solcher Art, und so suchte er Ablenkung im Schlaf, in den er durch seine Meditationsfähigkeit übergangslos zu fallen vermochte - und in Träumen, die ihn durch Welten führten.
    Welten, durch die er seit einiger Zeit nicht mehr allein ging .
    *
    Makootemane blinzelte verblüfft, als könne ein Lidschlag das Unmögliche, dessen Zeuge er eben geworden war, fortwischen. Aber das Bild blieb unverändert.
    Der kleine dürre Chinese stand staunend vor ihm - nachdem er geradewegs aus dem Nichts gekommen war! Mit einem einzigen Schritt, wie andere durch eine Tür gingen, hatte er diese Welt betreten.
    »Bist du hier zu Hause?« fragte Makootemane mit brüchiger Stimme.
    »Bisweilen«, sagte der andere.
    »Dann mußt du mir sagen, wo ich hier bin«, bat der Arapaho.
    So waren Makootemane und Chiyoda sich zum ersten Mal begegnet, hier in dieser Welt abseits der Wirklichkeit, in die es den Geist des toten Vampirindianers verschlagen hatte .. . 3
    Nachdem »Niemandes Freund« verschwunden war, hatte Makoo-temane nach jenem gesucht, der ihn durch diese Welt führen konnte, hatte nach diesem anderen gerufen - - und in Chiyodas Träumen hatten seine Rufe ein Echo gefunden.
    Der Weise war ihnen gefolgt. Denn das Tier in sich zu bezähmen, war nicht sein einziges Talent. Er vermochte darüber hinaus in Zukunft und Vergangenheit zu schauen und sich darin zu bewegen -wie er auch jenseitige Welten betreten konnte.
    Er war ein Wanderer zwischen den Wirklichkeiten.
    Und auf diesen Wanderungen leistete Makootemane ihm mitunter Gesellschaft. Denn zu Lebzeiten hatte auch der Arapaho sich mit Dingen befaßt, die zu verstehen der menschliche Geist kaum genügte. Aber er
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