Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
hören. Behutsam setzten die Träger die Sänften ab. Als die Füße meiner Mutter den Sand berührten, war Kuchiko bereits an ihrer Seite. Ich las auf seinem Gesicht die Besorgnis darüber, dass die Königin sich in Gefahr begab. Doch Himiko beachtete seine Unruhe nicht. Sie blickte auf die Steinblöcke, die man in aller Eile aufgehäuft hatte, um den Strand zu befestigen. Viele Männer waren noch an der Arbeit, liefen hin und her, schleppten Steine. Mit großen Schritten näherte sich Himiko diesem Wall und das Gewicht des an ihrem Gürtel schwingenden Schwerts ließ ihre Taille fast zerbrechlich erscheinen. Sie gab den Männern ein Zeichen, ihre Arbeit fortzusetzen, und blickte aufmerksam über das Meer. Nach dem Kriegsgeschrei herrschte jetzt drückende Stille. Die Feinde warteten. Der Befestigungswall würde sie aufhalten, aber nicht lange. Meine Mutter winkte Kuchiko zu sich, erteilte halblaut ihre Befehle. Krieger stellten sich an der Mauer entlang auf; andere wurden beauftragt, beide Seiten des Hafens zu schützen.
    Wann begann die Schlacht? An einen Steinblock gelehnt, von Müdigkeit überwältigt, musste ich wohl kurz eingeschlafen sein, als gellendes Geschrei aus nächster Nähe mich weckte. Jäh richtete ich mich auf, mein Herz klopfte zum Zerspringen. Vor meinen entsetzten Augen schien sich die Finsternis zu beleben. Es mussten Hunderte und nochmals Hunderte von Kriegern sein, die sich den nackten Körper dunkel gefärbt hatten. Sie sprangen behände von Klippe zu Klippe und näherten sich im seichten Wasser dem Ufer. Jeder fürchtete einen Nahkampf, weil die Blasrohre mit den Giftpfeilen dann am gefährlichsten waren. Darum galt es, den Feind zu zermürben, bevor er seinen Angriff zu weit vortreiben konnte.
    Pfeile schwirrten, Speere blinkten, Kriegsschreie und Todesschreie gellten. Bald erstreckte sich das Kampfgewühl weit über den Strand. Die Sperbermenschen versuchten mehrere Angriffe auf den Befestigungswall, stiegen über die Leiber der Gefallenen, schleppten Seile und gekerbte Baumstämme mit sich, um die Steinblöcke zu erklimmen. Wir kämpften vor allem mit Schwertern und Streitäxten. Die Waldbewohner hatten primitive Keulen, große Dolche und Wurfspieße, die sie mit tödlicher Sicherheit zu schleudern wussten. Sie benutzten auch Bogen und Pfeil, aber Schild oder Rüstung schienen sie nicht zu kennen. Inzwischen standen unsere Krieger in festen Reihen; Steine, Pfeile und Speere prallten an ihren Bronzeschilden ab. Doch immer mehr Feinde schwärmten heran. Das Echo zerstreute ihr zermürbendes Geschrei in alle Winde. Für einen bangen Augenblick sah es aus, als ob unsere Krieger unter dem heftigen Ansturm zurückwichen, aber ihre durchbrochenen Reihen schlossen sich sogleich wieder zu einem einzigen Block.
    Das Handgemenge hatte mich von meiner Mutter und Kuchiko getrennt. Ein Pfeil bohrte sich an der Stelle in den Boden, wo ich eben noch gestanden hatte. Das Gelände war mit Felsblöcken übersät. Geduckt rannte ich weiter, um mich in Sicherheit zu bringen. Ich hatte meine Waffe noch nicht gebraucht. Mir standen zwölf Pfeile zur Verfügung: Ich hatte mir geschworen, keinen einzigen zu vergeuden! Ich kniete mich hinter einen Felsen und stützte das Handgelenk auf einen Vorsprung. Ein schwarzer Schatten, einen Wurfspieß schwingend, sprang mit großen Sätzen über den Sand. Ich spannte den Bogen in Augenhöhe und schoss. Die Sehne schnellte mit ihrem vertrauten Surren zurück. Der Schatten sank zu Boden. Doch weitere Feinde tauchten aus der Dunkelheit auf. Ein zweiter Pfeil und wieder ein Treffer! Als ich die Hand hob, um einen dritten aus dem Köcher zu ziehen, spürte ich einen heftigen Stoß an der Seite. Ein Pfeil steckte in meiner Rüstung. Wütend riss ich daran, doch die Spitze war tief ins Leder gedrungen. Gerade gelang es mir, ihn herauszuziehen, als ein Angreifer mich von hinten anfiel. Blitzschnell wandte ich mich um und schoss einen Pfeil ab. Der Sperbermensch, mit einer Keule bewaffnet, tauchte rasch in den Schatten. Ich warf mich in den Sand und kroch vorwärts. Ich hatte einen Pfeil umsonst verschossen und ärgerte mich darüber. Ich wusste, dass mein Angreifer mich beobachtete, und legte einen Pfeil an die Sehne. Als ich bereit war, sprang ich auf und rannte davon, als ob ich fliehen wollte. Sofort stürmte der Sperbermensch aus seinem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher