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Im Zeichen der Menschlichkeit

Im Zeichen der Menschlichkeit

Titel: Im Zeichen der Menschlichkeit
Autoren: Stefan Schomann
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auf dem jede Möglichkeit zur Hilfe beruht. Die Helfer werden selbst zur Zielscheibe. Der Kern der Genfer Konvention, die Unverletzlichkeit der Sanitätskräfte, steht damit infrage. Die Kraft des Schutzzeichens und mit ihr die Autorität des Völkerrechts scheint im Schwinden begriffen.
    Krieg und Frieden
    Mit der Nachbesserung der Konvention 1949 glaubte man, auch das klassische »Kriegsrecht« überwunden zu haben, das in der Folge immer mehr zum »humanitären Völkerrecht« mutierte, auch weil das einfach besser klang. Doch einmal mehr hat sich der Traum vom Fortschritt der Menschheit nicht erfüllt. Allein in den neunziger Jahren tobten weltweit rund achtzig bewaffnete Konflikte, die Millionen von Menschen das Leben kosteten und Abermillionen ins Unglück stürzten. Zumeist handelte es sich dabei um innerstaatliche Auseinandersetzungen: Bürgerkriege, ethnische und religiöse Feindseligkeiten, Autonomiekämpfe. Waffengänge zwischen einzelnen Staaten dagegen sind selten geworden. Während der Krieg sein Wesen wandelt, droht der ehrwürdige Begriff der Humanität sich zu verselbstständigen. So wurde gar die Bombardierung Serbiens durch die NATO als »humanitärer Krieg« gerechtfertigt. Auch der »Krieg gegen den Terror«, der staatliche Gewalt überall und jederzeit zulässt, fällt in diese Kategorie.
    Der Weg durch die Geschichte hat gezeigt, dass das Rote Kreuz nur so menschlich sein kann wie das System, in das es sich einfügen muss. Weit davon entfernt, eine Insel reiner Nächstenliebe oder eine übergeordnete moralische Instanz zu bilden, wird es vielmehr selbst zum politischen Akteur, der sich in einem schwierigen, manchmal schier unmöglichen Umfeld zu behaupten sucht. Auch wenn es nicht ungern als eine humanitäre Supermacht wahrgenommen wird, ist es doch Spielball weit mächtigerer Kräfte und Interessen. Von Beginn an war es aufs Engste mit den herrschenden Eliten verknüpft. Heute sind die Hierarchien flacher, aber die Bindungen nicht weniger eng. In seiner großen Studie über Die humanitäre Vernunft konstatiert der französische Arzt und Soziologe Didier Fassin: »Man beobachtet zugleich eine Humanisierung der Politik wie eine Politisierung der Hilfsorganisationen.« Ehemalige Minister würden an die Spitze von Hilfsgesellschaften berufen, umgekehrt machten frühere Spitzenfunktionäre als Politiker Karriere. Der prominenteste Fall in Frankreich war Bernard Kouchner, Mitbegründer der »Ärzte ohne Grenzen«, später Gesundheits- und schließlich Außenminister.
    Seine bemerkenswerte Fähigkeit zur Anpassung und Selbstregulierung ermöglichte es dem Roten Kreuz, über 150 Jahre hinweg erfolgreich zu bestehen. Aus der Genfer Gemeinnützigen Gesellschaft ist eine Globale Gemeinnützige Gesellschaft entstanden. Zwangsläufig ruft der Erfolg auch Nachahmer auf den Plan. »Humanität« ist zu einem begehrten Etikett und auch zu einem Modewort geworden. Manchmal handelt es sich nur um eine Masche, die dubiose Geschäfte mit dem Mäntelchen der Menschenliebe kaschieren soll. Je mehr Hilfsorganisationen um Spenden und Fördermittel konkurrieren, desto mühevoller wird die Finanzierung, desto wichtiger auch die zugeschriebene Seriosität. 150 Jahre weltweiter Erfahrung sind da ein starkes Argument.
    Nicht selten bildet sich eine eigentümliche Kombination aus Konkurrenz und Partnerschaft heraus. Auch die Bundeswehr führt beispielsweise im großen Stil humanitäre Missionen durch, bisweilen zusammen mit Rotkreuzkräften, etwa nach der Tsunami-Katastrophe oder den großen Hochwassern in Deutschland. Befürchteten die Gründer der Organisation ursprünglich, von den Militärs als Eindringlinge vergrämt zu werden, so sorgen die Hilfsorganisationen sich heute, dass das Militär und andere staatliche Institutionen in ihr Gehege eindringen. Nur ungern teilt der kleine Bruder sein Revier mit dem großen, auch wenn ihre Verbindung unlöslich ist.
    Dank des langen Friedens, dessen sich zumindest Westeuropa seit dem Zweiten Weltkrieg erfreut, sind die Ursprünge des Roten Kreuzes auf dem Schlachtfeld etwas aus dem Blick geraten. Hinzu kommt, dass alles Militärische heute nicht gerade populär ist. Weshalb zum Beispiel die Fürsorge für Veteranen und deren Familien, die nach den beiden Weltkriegen noch eines der Hauptarbeitsfelder bildete, heute nicht mehr ins Auge gefasst wird – während etwa das Amerikanische Rote Kreuz sie zu seinen wichtigsten Aufgaben zählt. Aufgrund von Einsparungen bei der Bundeswehr
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