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Im Zeichen der Menschlichkeit

Im Zeichen der Menschlichkeit

Titel: Im Zeichen der Menschlichkeit
Autoren: Stefan Schomann
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dann auch bald übergeben wurde. Dass die Ausrüstung nach getaner Arbeit im Land verbleibt, ist Teil des Konzeptes.

Im Mai 2008 erschüttert ein schweres Erdbeben die chinesische Provinz Sichuan. Das mobile Krankenhaus des DRK sichert die Grundversorgung der Bevölkerung.
    © DRK

    Zwei Gynäkologen untersuchen das erste Kind, das hier zur Welt gekommen ist. Es erhält den Namen Fang Zhong-De (»China-Deutschland«).
    © S. Huang / DRK

Die Mission fand zu einem kritischen Zeitpunkt statt. Nach Meinungsverschiedenheiten in der Tibetfrage waren die deutsch-chinesischen Beziehungen auf einem Tiefpunkt angelangt. Daher war dem Auswärtigen Amt daran gelegen, die schlechte Stimmung zu verbessern. Tatsächlich erfuhr das deutsche Engagement viel Anerkennung, und zahlreiche chinesische Sender und Zeitungen berichteten darüber. Achthundert Patienten wurden jeden Tag ambulant behandelt. Anfangs waren noch einige Knochenbrüche und Quetschungen darunter, doch bei derartigen Einsätzen geht es weniger darum, die unmittelbaren Opfer zu behandeln. »Selbst bei optimaler Organisation können wir das Krankenhaus erst eine Woche nach einem Beben in Betrieb nehmen«, erklärt Moch. »Hauptaufgabe ist es, die zerstörte Infrastruktur zu ersetzen und außerdem Folgeschäden wie etwa Seuchen zu begegnen.« Die erste Operation überhaupt war ein Kaiserschnitt. Die glücklichen Eltern nannten ihren Sohn Fang Zhong-De, China-Deutschland.
    Während das Rote Kreuz in Katastrophenfällen allgemein willkommen geheißen wird, sieht es sich bei Einsätzen in bewaffneten Konflikten zunehmenden Gefahren ausgesetzt. In den letzten Jahrzehnten häuften sich vor allem in islamischen Ländern und Regionen die Probleme, in denen zugleich auch die meisten dieser Konflikte zutage traten. Ein trauriger Höhepunkt ereignete sich 1996 in Tschetschenien, wo zwanzig Delegierte im Auftrag des Internationalen Komitees unweit von Grosny ein kleines Krankenhaus führten. Nachdem sie bereits mehrfach bedroht worden waren, drangen in der Nacht auf den 18. Dezember Attentäter ins Haus ein und richteten fünf Schwestern und einen Techniker hin. Ein Schweizer überlebte schwer verletzt, drei Deutsche blieben mit viel Glück unversehrt. Wer auch immer den Auftrag zu diesem Anschlag gegeben hatte, erreichte sein Ziel – das Rote Kreuz zog aus Tschetschenien ab.
    Seit osmanische Soldaten 1876 die serbischen Ambulanzen beschossen, brechen derartige Spannungen immer wieder auf. Während des Umsturzes in Libyen wurden ausländische Rotkreuzhelfer von den Rebellen zunächst ausdrücklich aufgefordert, ihr Emblem beizubehalten, vertrauten sie ihnen doch eher als den Vertretern des einheimischen Roten Halbmonds, von denen sie glaubten, dass sie mit Gaddafi unter einer Decke steckten. Bald aber geriet die Internationale der Helfer unter Beschuss. Nachdem innerhalb von drei Monaten fünf seiner Einrichtungen angegriffen worden waren, zuletzt mit Raketen, zog das Internationale Komitee sich weitgehend aus Libyen zurück. Doch auch Ambulanzen des Libyschen Roten Halbmonds wurden beschossen und sieben Helfer des Iranischen Roten Halbmonds entführt. Reihum warfen alle Beteiligten einander Missbrauch des Zeichens vor. Die Rebellen beschuldigten die Regierung, Hubschrauber mit Rotkreuzemblemen als Minenleger einzusetzen. Militante Islamisten bezichtigten die Hilfsorganisation, Bibeln zu verteilen. Schon als deutsche Ärzte hundert Jahre zuvor mit dreihundert Kamelen durch Tripolitanien gezogen waren, begegneten ihnen ähnliche Reflexe: »Es war den unwissenden, fanatischen Wüstenbewohnern nicht beizubringen, daß sie das rote Kreuz als unverletzlich zu betrachten hätten«, heißt es in einem zeitgenössischen Bericht.
    Auch in Afghanistan wird der Status des Schutzzeichens immer prekärer. Sowohl die amerikanischen Streitkräfte als auch die Bundeswehr übermalen inzwischen die Kennzeichnung ihrer Sanitätseinheiten. Sind diese doch zu einem bevorzugten Angriffsziel geworden, zum einen wegen des verhassten, christlich konnotierten Symbols, zum anderen zur Schwächung des Gegners, dessen Soldaten ohne Sanitäter einen schweren Stand haben. Der letzte blutige Zwischenfall ereignete sich im Mai 2013, als vier Selbstmordattentäter ein Regionalbüro des Internationalen Komitees stürmten, das daraufhin sein Engagement im Land drastisch reduzierte. Fremdenhass, religiöse Verblendung und demonstrative Menschenverachtung drohen den minimalen zivilisatorischen Konsens zu zerstören,
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