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Im Zauber des Highlanders

Im Zauber des Highlanders

Titel: Im Zauber des Highlanders
Autoren: Karen Marie Moning
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und zurückfahren zu müssen, nur um sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal hier abzuliefern - diese Vorstellung gefiel ihnen offensichtlich keinesfalls. Sie schielten nicht einmal auf Jessis Brüste, wie es die meisten Männer insbesondere bei der ersten Begegnung taten. Das verriet ihr, wie ernst es ihnen war und wie sehr sie sich wünschten, diese leidige Angelegenheit hinter sich zu bringen.
    Jessi warf einen Blick auf das Telefon.
    Dann schaute sie auf ihre Uhr.
    Sie hatte sich nicht die Durchwahlnummer des Professors geben lassen und vermutete, dass die Vermittlung sie zu dieser Zeit nicht mehr zu einem Krankenzimmer durchstellen würde. Auch wenn Professor Keene behauptet hatte, dass ihm nicht viel fehlte, hätten ihn die Ärzte nicht dort behalten, wäre er nicht ernsthaft verletzt. Das Klinikpersonal schickte die Leute heute so schnell wieder nach Hause, wie sie aufgenommen worden waren.
    Was würde den Professor mehr aufregen - wenn sie die Kiste öffnete oder wenn sie die Annahme verweigerte und er ein kleines Vermögen bezahlen musste, um sie sich noch einmal zuschicken zu lassen?
    Erneut stieß sie einen Seufzer aus. Was sie auch machte, es konnte nur falsch sein.
    Letzten Endes siegte die ständig abgebrannte Studentin in ihr, die jeden Cent zweimal umdrehen musste.
    »Gut. Öffnen Sie die Kiste.«
     
    Zwanzig Minuten später hielten die beiden Männer den mit krakeliger Schrift unterschriebenen Lieferschein in den Händen und verabschiedeten sich. Die Überreste der Kiste nahmen sie dankenswerterweise gleich wieder mit.
    Jessi blieb vor dem Ding stehen und beäugte es neugierig. Es war alles andere als ein Sarkophag. Tatsächlich war die Kiste so groß gewesen, weil der Gegenstand sorgsam ausgepolstert gewesen war. Unter den vielen Schichten Polsterfolie und Seidenpapier waren sie schließlich auf einen Spiegel gestoßen, und die beiden Lieferanten hatten ihn auf Jessis Anweisung vorsichtig an das Regal an der Ostwand gelehnt.
    Der Spiegel war mindestens dreißig Zentimeter größer als sie, und der verzierte Rahmen bestand aus glänzendem Gold. In den breiten Rahmen waren gleichmäßig und ineinander verschlungen Figuren und Symbole graviert, so dass der Eindruck entstand, es handele sich um eine Art Inschrift. Jessi kniff die Augen leicht zusammen und betrachtete die eingeritzten Zeichen eingehender, aber Sprachwissenschaft war nicht ihr Spezialfach, und die Symbole waren ihr fremd. Sie müsste schon Nachforschungen in der Fachliteratur anstellen, um Buchstaben, Worte oder Schriftzeichen identifizieren zu können.
    Am Innenrand des auffallenden Rahmens wies das Spiegelglas unregelmäßige schwarze Flecken auf, doch abgesehen davon, war es erstaunlich klar. Jessi vermutete, dass der ursprüngliche Spiegel irgendwann zerbrochen und durch einen neuen ersetzt worden war; vermutlich war er um Jahrhunderte jünger als der Rahmen. In alten Zeiten gab es keine Spiegel von dieser Klarheit. Die ältesten von Archäologen entdeckten Spiegel gingen zurück in eine Zeit um 6200 vor Christi, aber die hatte man aus poliertem vulkanischem Gesteinsglas, nicht aus Glas gefertigt. Die ersten Glasspiegel von signifikanter Größe - etwa neunzig mal hundertfünfzig Zentimeter - wurden erst um 1680 von dem italienischen Glasmacher Bernard Perroto für den Spiegelsaal von Versailles hergestellt; der extravagante Sonnenkönig Ludwig XIV. hatte sie in Auftrag gegeben. Außergewöhnlich große Spiegel wie dieser - eindrucksvolle zwei Meter hoch - waren im Allgemeinen höchstens hundert Jahre alt.
    Der makellosen Silberschicht nach zu schließen, dürfte er sogar noch jünger als ein Jahrhundert sein, und kein Mensch wurde verrückt oder fand den Tod nach einer schleichenden Quecksilbervergiftung. Hutmacher waren nämlich nicht die Einzigen, die bei Ausübung ihres Berufes giftigen Dämpfen ausgesetzt waren, daher stammte das geflügelte Wort »Verrückt wie ein Hutmacher«, aber Jessi hatte noch nie jemanden sagen hören: »Verrückt wie ein Spiegelmacher.«
    Sie musterte kritisch alle Details des Spiegels. Die Archäologin in ihr wollte die Herkunft herausfinden, und sie fragte sich, ob der Rahmen korrekt datiert werden konnte.
    Sie runzelte die Stirn. Was wollte der Professor mit einem Spiegel? Ein solches Stück entsprach überhaupt nicht seinem Geschmack; er bevorzugte Repliken von Waffen und antike Zeitmesser wie das deutsche Astrolabium aus dem sechzehnten Jahrhundert, das seinen großen Schreibtisch schmückte.
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