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Im Zauber der Gefuehle

Titel: Im Zauber der Gefuehle
Autoren: Lisa Kleypas
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schlenderte zur einen Seite des Herrenhauses, das aus honigfarbenem Stein errichtet war und an jeder Ecke einen sechsstöckigen Turm aufwies. Vor dem Anwesen lag ein außergewöhnlich großer Hof, der von Ställen, einer Waschküche und niedrigen Gebäuden für die Dienstboten flankiert wurde. Die Vorderseite der Stallungen war so gehalten, dass sie die Front der Kapelle auf der anderen Seite des Hofes widerspiegelte.
    Es waren die prachtvollsten Stallungen, die Nick jemals gesehen hatte, und fasziniert schritt er durch einen der Torbogen. Im Innern fand er einen überdachten Innenhof, in dem glänzendes Pferdegeschirr hing. Ein angenehmes Duftgemisch erfüllte die Luft: der Geruch nach Pferden, Heu, Leder und Politur. An der Rückwand des Innenhofs, gleich neben den Durchgängen zu den einzelnen Ställen, gab es eine marmorne Tränke für die Pferde. Nick überquerte den steinernen Boden, wobei er sich fast geräuschlos fortbewegte, wie es jeder Bow-Street-Runner aus Gewohnheit tat. Obgleich er derart leise war, wurden die Pferde unruhig und schnaubten ängstlich, als er sich ihnen näherte. Dann blickte er durch den Bogen in einen der Durchgänge und entdeckte unzählige Ställe, in denen gut fünf Dutzend Pferde untergebracht waren.
    Es hatte jedoch den Anschein, dass sich in den Ställen niemand außer den Pferden befand, und so nahm Nick den Westausgang und verließ die Stallungen. Sogleich stieß er auf eine uralte Steinmauer, die fast zwei Meter hoch war. Ohne Zweifel war sie einst errichtet worden, um unvorsichtige Gäste davor zu bewahren, das dahinter liegende Steilufer hinab in den Fluss zu stürzen, der sich jenseits der Mauer durch das Tal schlängelte. Nick blieb wie angewurzelt stehen, als er zu seiner Verblüffung eine kleine, zierliche Gestalt auf der Mauer gewahrte. Es handelte sich um eine Frau, die so still stand, dass er zuerst glaubte, eine Statue vor sich zu haben. Doch dann bewegte ein Windstoß ihren Rocksaum und löste eine hellblonde Strähne aus ihrem lockeren Haarknoten.
    Fasziniert trat er näher, ohne sie auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
    Nur eine unbesonnene Närrin würde auf dieser unebenen Mauer balancieren, auf der jeder falsche Tritt den sicheren Tod bedeutete. Doch sie schien nicht zu merken, wie steil es jenseits der Mauer nach unten ging und in welcher Gefahr sie schwebte. So, wie sie den Kopf geneigt hielt, musste sie den Blick auf den Nachthimmel über sich gerichtet haben. Was um Himmels willen hatte sie vor? Vor zwei Jahren hatte Nick einen Mann so still dastehen sehen, kurz bevor er seinem Leben ein Ende bereitet hatte und von einer Brücke in die Themse gesprungen war.
    Als Nick den Blick über ihre Gestalt schweifen ließ, fiel ihm auf, dass sich ihr Rocksaum unter einem ihrer Absätze verfangen hatte. Ihm war klar, dass er auf der Stelle handeln musste. Mit wenigen, schleichenden Schritten hatte er die Mauer erreicht und zog sich mühelos und ohne das geringste Geräusch zu verursachen empor.
    Sie bemerkte ihn erst, als er sie schon beinahe erreicht hatte. Überrascht wandte sie sich um, und Nick sah gerade noch das Aufblitzen ihrer dunklen Augen, dann verlor sie das Gleichgewicht. Nick packte sie, bevor sie fallen konnte, und zog sie mit Gewalt an seine Brust. Sein Unterarm lag schützend knapp unter ihren Brüsten. Sie einfach nur an seinen Körper zu ziehen, hatte etwas eigenartig Befriedigendes, wie ein Puzzlestück, dass genau in die Lücke passte. Sie stieß einen leisen Schrei aus und griff automatisch nach seinem Arm. Die lose Strähne feinen, blonden Haares wehte Nick ins Gesicht, und der leicht salzige Geruch weiblicher Haut stieg ihm verführerisch in die Nase. Ihm stockte der Atem. Es überraschte ihn, wie intensiv ihre Wirkung auf ihn war — noch nie hatte er derart instinktiv auf eine Frau reagiert. Am liebsten wäre er von der Mauer gesprungen und hätte sie davongetragen wie einer der Wölfe, die früher in den Wäldern hier auf Raubfang gegangen waren, um seine Beute an einen sicheren Ort zu schaffen und sich an ihr gütlich zu tun.
    In seinen Armen war sie zur Salzsäule erstarrt, ihr Atem ging keuchend. »Lasst mich los«, sagte sie, indem sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. »Warum zum Teufel habt Ihr das getan?«
    »Ihr wärt gefallen.«
    »Wäre ich nicht! Es war alles in bester Ordnung, bis Ihr auf mich zugelaufen kamt und mich aus dem Gleichgewicht gebracht habt ...«
    »Ihr steht mit dem Absatz auf Eurem
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