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Im Wettbüro des Teufels

Im Wettbüro des Teufels

Titel: Im Wettbüro des Teufels
Autoren: Stefan Wolf
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Gerade oder ungerade. Das heißt, ob das
Kfz-Kennzeichen mit ‘ner geraden oder ungeraden Zahl endet. Du setzt fünf oder
zehn Mark ein. Wir warten, bis die Ampel das übernächste Mal rot wird. Die
Wagen kommen, halten. Dein Wagen ist dabei. Wenn du gewonnen hast, kriegst du
den doppelten Einsatz.“
    „...kriegst du den doppelten
Einsatz, Sir!!!“
    „...den doppelten Einsatz,
Sir!!!“
    Der Flaps-Typ nickte. „Ist das
legal, Mann?“
    „Was ist schon legal, Sir?“
    „Ich wette, du hast die Taschen
voller Geld. Weil du ja deine Kunden auszahlen musst — wenn du ‘ne Pechsträhne
hast.“
    „Willst du nun wetten?“
    „Wieviel Wechselgeld hast du
bei dir, Mann?“
    „Das geht dich einen Sch... an,
Sir!“

    Der Flaps-Typ zog die rechte
Hand ein Stück aus der Parkatasche.
    „Guck mal! Ein japanisches
Kampfmesser, Mann! Das geht durch deinen Mantel wie durch zimmerwarme Butter.
Du liegst im Schnee. Kein Wagen hält. Außerdem knie ich ja schon bei dir. Das
muss doch genügen, wie? Dass ich dir nicht helfe, sondern nur die Taschen
ausräume — wer sieht das schon, hey?“
    Egon wollte ,Hau ab!’ sagen.
    Im nächsten Moment spürte er
die Messerspitze auf den Rippen, ja, direkt auf den Rippen. Durch Mantel,
Pullover und T-Shirt war die Klinge schon durch.
    „Her mit den Peanuts!“
    Verdammt!, dachte Egon. Ich
hätte ihn ernst nehmen sollen.
    Die Wagen glitten vorbei.
Beschlagene Scheiben. Kein Gesicht wandte sich her. Es war früher Vormittag —
ein Samstag.
    Egon stöhnte.
    Dann stöhnte der Flaps-Typ, sackte
in die Knie und zog sein rasierklingen-scharfes Messer so ungeschickt mit, dass
ein sauberer Schlitz in Egons Garderobe entstand und außerdem — wie er später
feststellen würde — eine Schmarre auf seinen Rippen.
    Der Flaps-Typ fiel nach vorn
mit dem Gesicht in den sulzigen Schnee und kippte dann auf eine Schulter.
Pause. Aber keine Werbespots. Der Film lief weiter. Denn der Mann, der
unbemerkt hinter Egon getreten war, rückte jetzt in dessen Blickfeld.
    „Dieser Straßenköter“, sagte
der Knuffi-Typ durch die Zähne, „wird ein paar Tage Genickschmerzen haben. Er
wollte Sie abzocken, was?“
    „Berauben.“
    „Sage ich doch.“
    „Danke! Sie haben ihn... Das
ging so schnell — ich hab’s gar nicht mitgekriegt.“
    „Das ist die Kunst. Na,
ersticken muss er nicht gleich.“
    Mit der Schuhspitze — es waren
noble Adventure-Latschen einer Glimmstengel-Marke — schob er den Flaps-Typ in
eine Position, in der er atmen konnte.
    „Gehen wir, Zocker!“
    Mit der gleichen Schuhspitze
wurde Egons Filzschreiber-Schild auf die Fahrbahn gekickt. Es geriet unter eine
lippenstiftrote Knutschkugel mit 45 PS und wurde von den kleinen Rädern
zerkrümelt.
    „Wohin?“
    „Ich will mit Ihnen reden. Ich
bin Leo.“
    „Ich heiße Egon.“
    „Und weiter?“
    Der ist dreist, dachte Egon.
Sich stellt er als Leo vor und von mir verlangt er die Geburtsurkunde.
    Aber der Freiluft-Zocker hatte
nie zu denen gehört, die aufbegehren oder Widerstand leisten. Seine Route zum
Ziel war immer die Zickzacklinie — die Schleimspur um die Hindernisse herum.
    „Egon Voigt.“
    „Leo Fressner.“
    Na also! Ein Händedruck in
Handschuhen. Egon fühlte seine Rechte für einen Moment in einem Schraubstock,
der seinen Vorderhuf zu Mus hätte quetschen können.
    Dann winkte Leo mit dem Kinn
und sie schritten los.
    An der Ecke zur Frömmel Allee
blickte Egon zurück.
    Der Flaps-Typ erholte sich. Er
kniete und hielt den Kopf in beiden Händen. Sah nach Notfall aus. Jugendlicher
Drogi beim Abnibbeln. Aber selbstverständlich würde auch jetzt keins der
Fahrzeuge halten.

2. Überfall im Nessie-Park
     
    Tim dampfte. Sechs Kilometer lagen
hinter ihm. Jetzt war er auf dem Rückweg. Jogging! Training! Und damit er nicht
allein laufen musste, hatte er sich in aller Frühe Oskar geholt, Gabys Cocker
Spaniel, den das mit Begeisterung erfüllte. Cocker laufen für ihr Leben gern.
Aber jetzt hing Oskar die Zunge aus dem Maul.
    Noch einen Spurt bis zum
Denkmal!, dachte Tim, der früher Tarzan genannt wurde. Dann reicht’s.
    Das Denkmal steht im See-Park —
völlig allein unter 300 Bäumen: Buchen, Eichen und Erlen. Der Uferweg endet
dort.
    Tim joggte am Nessie-See.
    Diese idyllische
Wasseransammlung — zur Zeit mit geschlossener Eisdecke — liegt zwar außerhalb
der Stadtgrenze, aber immer noch dicht an dem abgehobenen Nobelviertel
,Rosengarten’, wo die betuchtesten Leute der Millionenstadt wohnen. Vornehmlich
in der
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