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Im Wettbüro des Teufels

Im Wettbüro des Teufels

Titel: Im Wettbüro des Teufels
Autoren: Stefan Wolf
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setzt einen Betrag auf den Todestag?“
    „So ungefähr. Aber auf einen
bestimmten Tag wird sehr selten gesetzt. Wer wollte das Voraussagen? Es könnte
sogar zu Missbrauch, nämlich zum Nachhelfen verführen. Unser System läuft eher
roulette-artig ab. Man kann auch auf ,Schwarz’ oder ,Rot’ setzen. Es gibt
etliche Möglichkeiten.“
    „Zum Beispiel?“
    „Zum Beispiel setzt ein Wetter
auf den 70-jährigen Hans Meier und darauf, dass der seinen 75. Geburtstag nicht
erlebt. Trifft das zu, erhält der Wetter das Zehnfache seines Einsatzes. Bei
einem 80-Jährigen erhält er nur das Dreifache, bei einem 90-Jährigen nur den
doppelten Einsatz. Dazwischen gibt es zig Abstufungen wie: Stirbt noch in
diesem Jahr, stirbt innerhalb zweier Jahre undsoweiter.“
    Egon spürte, wie sich seine
Gänsehaut ausbreitete: Über Rücken und Hintern bis in die Kniekehlen.
    „Übrigens“, sagte Leo, „wird
als Ableben nur der natürliche Tod gewertet. Verbrechen, Gewalteinwirkung,
Unfall, Mord und Ähnliches scheiden aus. Damit sichere ich mich ab. Ich will
verhindern, dass jemand auf seine Erbtante setzt und die dann bei Nacht und
Nebel überfährt.“
    „Verstehe.“
    „Es hört sich vielleicht
makaber an. Aber ich schade niemandem.“
    „Verstehe.“
    „Es gibt auch eine Variation.
Man kann auf mehrere Personen wetten und zunächst Punkte sammeln. Wieviele
Punkte man wofür kriegt — darüber habe ich ein ausgeklügeltes System
erarbeitet. Einen zwölf Seiten starken Punkte-Katalog.“
    „Das lockt die System-Wetter,
die Knobler.“
    „So ist es, Egon. Und wer 1000
Punkte erreicht hat, der kriegt 100 000 Mark bar auf die Kralle. Steuerfrei
natürlich.“
    „Natürlich!“
    „Dir ist nicht wohl dabei?“
    „Was sagt die Polizei dazu?“
    „Die weiß nichts davon. Denn
meine Geschäfte laufen im Untergrund ab. Klar — die Moralapostel finden sowas widerlich
und krank. Aber ich finde, es ist nichts Abartiges, wenn man sich spielerisch
mit der Sterblichkeit beschäftigt und dabei auch noch Aussicht hat auf fetten
Gewinn. Das macht verdammt viel Spaß. Und meine Wetten geben damit den
Todesanzeigen in den Zeitungen einen ganz anderen Stellenwert.“
    „So etwa wie die Ziehung der
Lotto-Zahlen.“
    „So etwa. Wetten ist sportlich.
Und Sportlichkeit war immer schon in.“
    Egon befeuchtete seine Lippen
mit der Zunge. „Hat dein morbides Zocker-Büro einen Namen?“
    „Dying-Game-Club. Aber damit
werbe ich natürlich nicht.“
    „Wie erfahren dann die Wetter,
dass es deinen Club gibt?“
    „Zum einen durch
Mundpropaganda. So eine schwarze Untergrund-Äktschen ist doch schick. Du
würdest es nicht glauben, wieviele Schicki-Mickis bei mir antanzen. Aber die
meisten Kontaktbrücken schlage ich mit meiner Dead-or-alive-Arena.“
    „Tod oder lebendig? Das stand
im Wilden Westen auf Steckbriefen.“
    „In meiner Kampfsport-Arena
wird niemand umgebracht. Ist nur ein Name. Immerhin — die Jungs prügeln sich
manchmal das Gehirn aus den Ohren — sofern Gehirn da vorhanden ist, hahah.“
    „Untergrund-Kämpfe? Davon habe
ich gehört.“
    „In den USA“, erklärte
Fressner, „ist das gang und gäbe. Nacht für Nacht treten in den Großstädten
Kampfsport-Gladiatoren gegeneinander an. In leerstehenden Lagerhallen,
Fabriken, Baracken. Fights ohne Regeln. Boxer gegen Ringer, Karatekas gegen
Kung Fu-Kämpfer, Kickboxer gegen Judokas. Alles ist erlaubt. Gewettet wird auf
Sieg oder Niederlage. Der Kampf ist beendet, wenn sich einer nicht mehr rühren
kann oder wenn er aufgibt — das heißt, wenn er auf den Boden klopft. Die
Kämpfer — aber nur die Sieger — kassieren ein paar tausend Dollar, brauchen
neue Zähne und müssen sich die Platzwunden nähen lassen. Harter Job. Aber diese
Typen können ja nichts anderes.“
    „Du hast das amerikanische
System übernommen?“
    „Habe ich. Kampfsport-Typen,
die sich für unbesiegbar halten, gibt’s hier genug. Und in meiner Arena sind
die Kämpfe echt. Das ist nicht wie Wrestling, dieses abgesprochene
Kasperltheater, bei dem sich keiner weh tut. Und wenn doch mal, dann höchstens
aus Versehen, aus Ungeschicklichkeit. Bei den Wrestlern muss man nur die
Akrobatik bewundern. Alles andere ist Schau.“
    „Wenn ich dich richtig
verstanden habe“, sagte Egon, der für einen Moment Magenkrämpfe hatte,
allerdings nicht aus moralischen Bedenken, sondern wegen seiner Angst vor
Gewalt, „kommen deine Wettkunden zunächst in die Dead-or-alive-Arena, in deine
Kampfsporthalle. Dort
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