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Im Wettbüro des Teufels

Im Wettbüro des Teufels

Titel: Im Wettbüro des Teufels
Autoren: Stefan Wolf
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„Es muss auch
breitere Nudeln geben. Klößchen ist o. k. — so wie er ist.“
    „Bestärke ihn nicht noch in
seinem Hobby. Ich bringe dich zum Bus. Gebongt?“
    Klößchen sagte, er werde noch
eine Runde kraulen und sich dann anziehen.
    Irene und Tim verließen das
Haus. Oskar unterstützte die Salami-Verdauung mit hörbarem Schnarchen.
    Draußen war es kalt wie zuvor.
Die Sonne versteckte sich hinter Schneewolken. Irene hatte zwei Pflaster im
Gesicht, aber ihr Schritt war fest.
    Bis zur Bushaltestelle am Ende
der Eichen-Allee ging man nur fünf Minuten. Dann warteten beide und Irene
erzählte von ihrer Chefin im Cafe ,Am Opernplatz’ — einer unfrohen Witwe, die
das alleinige Sagen hatte und manchmal sehr ungerecht war.
    Die Eichen-Allee war fast leer.
Dann rollte ein grauer VW heran.
    Der Fahrer blickte her und
hielt.
    „Ach, der Herr Voigt“, sagte
Irene mit Flötenstimme. „Ach, ist mir das peinlich. Dass er mich so sieht, ist
ja schrecklich. Sehe ich sehr schlimm aus, Tim?“

    Der TKKG-Häuptling grinste.
„Man erkennt, wer du bist.“
    „Pfui! Hoffentlich ist Egon
Voigt etwas charmanter.“
    Voigt beugte sich über den
Beifahrersitz und öffnete das rechte Fenster.
    „Irene! Wie sehen Sie denn aus?
Ist was passiert?“
    Der hat auch schon klüger gefragt,
dachte Tim.
    „Ich wurde überfallen“,
erwiderte Irene. „Von einem... einem Wegelagerer. Aber Tim hat mich gerettet.
Hat ihn vertrieben.“
    „Sehr tüchtig“, meinte Voigt
und verschlang Irene mit Blicken.
    Sie war errötet. Tim wusste
nicht, ob aus Verlegenheit oder Verliebtheit in diesen Herrn Voigt. Er hatte
einen blonden Mittelscheitel und leuchtend blaue Augen. Ein abgeklärter
Enddreißiger offenbar, der erst lange überlegt bevor er eine Hand rührt. Er
wirkte knochig. Tim schätzte, dass er bei seinem Broterwerb keine Krawatte
trug, sondern einen blauen Kittel oder Overall.
    Irene war dicht an den Wagen
getreten, der graues Abgas in die Winterluft pustete. Irene berichtete und Egon
Voigt war ein williger Zuhörer.
    „Ich fahre in die Innenstadt“,
meinte er schließlich. „Den kleinen Umweg zum Präsidium mache ich gern. Wenn
ihr mit mir fahren wollt, bitte einsteigen!“
    Irene wollte. Sie lächelte
glücklich. Tim sagte, dass er hier bleibe. Der graue VW fuhr ab. Irene winkte
einmal, war aber dann ganz auf Egon Voigt konzentriert.
    Soll sie!, dachte der
TKKG-Häuptling. Die beiden passen zusammen.
    Er trabte zur Sauerlichschen
Villa zurück.
     
    *
     
    „So, da sind wir.“
    Voigt hielt vor dem
Polizeipräsidium. Heute, am Samstag, ging es zu auf dem Vorplatz, als wäre eine
Völkerwanderung über die Stadt hereingebrochen.
    „Vielen Dank, Egon!“ Irene
lächelte ihn an. „Ich glaube, es wird länger dauern. Vielleicht hat dieser Herr
Glockner nicht gleich für mich Zeit. Ich muss bestimmt eine Personenbeschreibung
machen und eine genaue Aussage.“
    Egon Voigt schmachtete sie an.
„Ich kann leider nicht warten. So gern ich’s täte.“
    Das klang echt. Sie hatte
gemerkt, dass er zeitlich im Druck war. Er gehörte zu den gelegentlichen Gästen
im Café ,Am Opernplatz’ und Irene hatte sich in ihn verguckt. Wegen seiner
leuchtenden Augen und dem großzügigen Trinkgeld.
    „Es tut mir gut, Egon, wenn ich
nachher ein paar Schritte laufe. Das ist kein Problem.“
    Er nickte, lächelte sie an,
ließ sie aussteigen und sah ihr nach. Vor dem Portal des Präsidiums drehte sie
sich um und winkte.
    Egon Voigt winkte zurück. Dann
legte er den Gang ein und fuhr ab. Seine Miene verhärtete sich. Die Augen
wurden schmal. Diese mimische Ausstattung für eine Drohgebärde war eigentlich
nicht sein Ding. Doch jetzt musste er sich dazu überwinden. Er musste als
harter Junge auftreten: cool, unbeirrbar, rücksichtslos, gefährlich. Genau den
Eindruck musste er erwecken — sonst ging sein Vorhaben in die Hose. Sonst würde
Selbmann-Kotz ihn nicht ernst nehmen.
    Den Weg zur „Selbmann-Kotz KG“
kannte er inzwischen genau. Die Großbau-Firma hielt Hof in zwei Etagen des
sogenannten Glas-Stahl-Hauses — eines zwölfstöckigen Gebäudes, an dem man nicht
viel Beton verbaut hatte.
    Voigts erster Versuch dort war
fehlgeschlagen. Wäre ja auch noch schöner, ließe sich ein Big Boss wie Norbert
Selbmann-Kotz zu einem Nobody herab, einem Niemand wie Egon Voigt.
    Nein, Herr Selbmann-Kotz sei
nicht zu sprechen, hatte die Sekretärin gesagt, eine eingebildete Zunsel mit
Keulen-Charme. Aber Egon war am nächsten Tag wiedergekommen, am
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