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Im Wettbüro des Teufels

Im Wettbüro des Teufels

Titel: Im Wettbüro des Teufels
Autoren: Stefan Wolf
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Er
lutschte an einer gewaltigen Zigarre, die kubanischen Duft verbreitete, 85 Mark
das Stück kostet und zu den feinen Puros aus Havanna gehört. Eine Montecristo.
Aber das erkannte Egon nicht. Mit solchen Edel-Schmauch-Balken war er noch nie
in Berührung gekommen. Gleichwohl merkte er, dass Selbmann-Kotz Junior auf sich
hielt.
    Der blickte auf von einem
Stapel Baupläne.
    „Ja. Guten Morgen. Ich habe
wenig Zeit. Worum geht’s?“
    Dass Egon kein Käufer war,
keine Immobilie erwerben wollte — hatte er der Sekretärin schon beim ersten
Auftritt verklickert. War sicherlich ein Fehler gewesen. Betuchte Kunden kamen
eher dran bei diesem Paffer von teuerstem Blaudunst.
    „Für mich“, erwiderte Egon,
„werden Sie sich Zeit nehmen müssen. Herr Kotz... äh... Selbmann-Kotz.“
    Er setzte sich unaufgefordert,
rutschte etwas zurück und streckte die Beine aus.
    Selbmann-Kotz nahm die
Montecristo aus dem Mund. „Wirklich?“
    „Garantiert.“
    „Klingt sehr selbstbewußt, Herr
Vaut.“
    „Voigt.“
    „Nur Voigt?“
    „Voigt-Kotz wäre mir lieber.
Aber das Glück habe ich nicht.“
    Selbmann-Kotz anzusehen — das
war, als blicke man in eine Schüssel Pudding. Aber unter dem Pudding lauerten
Geschäftstüchtigkeit, Schläue, Durchtriebenheit.
    „Ich höre.“
    „Was ich Ihnen zu erzählen
habe“, Egon lächelte grimmig und begann sich hineinzusteigern in die Rolle des
harten Jungen, „dagegen sind Nachrichten von den Kriegsschauplätzen die reinste
Freudenbotschaft. Ich meine Ihr Projekt ,Waldsaum’.“
    Selbmann-Kotz rauchte weiter.
„Was ist damit?“
    „Ihre Firma baut dort Häuser
und Wohnungen.“
    „Na und? Häuser und Wohnungen
werden gebraucht. Auch wenn die Geburten rückläufig sind und das ewige Leben
noch nicht erfunden ist — jeder will wohnen. Bequem, schön, funktionell. Und
solche Wohnungen baue ich.“
    „Ihre Waldsaum-Siedlung ist
luxuriös. Sehr teuer, wie? Ist ein Gelände von etwa 50 Hektar. Außerhalb der
Stadt. Und doch so dicht an der Stadt. Von einigen Häusern aus kann man sogar
den Waldrand sehen. Sie nennen ihn Waldsaum. Klingt das besser in den Ohren der
Käufer, hähäh?“
    „Sie reden ziemlich viel.
Wollen Sie meine Zeit stehlen?“
    „Die Erstellungkosten betragen,
wie man so hört, 20 Millionen. Zunächst mal. Wird am Ende sicherlich teurer. Da
sind auch die Banken als Geldgeber mit drin, wie?“
    „Was wollen Sie?“
    „Ich habe mich auf dem
Baugelände umgesehen. Etwa zwei Drittel der Häuser und Wohnungen sind fertig.“
    „Was wollen Sie?“
    „Haben Sie hohen Blutdruck, Herr
Selbmann-Kotz?“
    „Wieso?“
    „Ich will doch nicht, dass Sie
der Schlag trifft, wenn ich weiter erzähle.“
    „Keine Sorge. Ich bin gesund
wie ein Fisch im Wasser.“
    „Die sind schon lange nicht
mehr gesund. Wegen der verseuchten Flüsse, der verseuchten Seen und Meere. Aber
Sie fühlen sich als der Hecht im Karpfenteich. Ich weiß.“
    „Ich gebe Ihnen noch eine
Minute. Es sei denn, Sie wollen eine Wohnung kaufen. Dann hätte ich mehr Zeit.“

    „Ich und kaufen? Bestimmt
nicht. Nicht mal geschenkt würde ich eine Prachtvilla am Waldsaum nehmen. Und
wahrscheinlich auch sonst niemand — sobald ich den Mund aufmache.“
    Selbmann-Kotz legte die Zigarre
in den Aschenbecher und lehnte sich zurück. „Was soll das heißen?“
    „Erinnern Sie sich an die
Chemie-Rotoruck GmbH? Eine Firma der chemischen Industrie, wie der Name schon
sagt.“
    „Ich erinnere mich. Und?“
    „Die Firma hat vor zehn, nein,
elf Jahren Pleite gemacht. War auch gut so. Unter dem Gift, das die Rotoruck in
die Luft geblasen hat, wäre unsere Stadt eines Tages erstickt.“
    „Und?“
    „Ich habe dort gearbeitet. Als
Fahrer. Und ich darf sagen — ich war ein Vertrauter vom Chef. Ihm schade ich
nicht mehr, dem alten Dr. Priemkau. Er ist schon lange tot. Ihn kümmert’s nicht
mehr, wenn ich auspacke.“
    „Ich höre.“
    Aber Selbmann-Kotz war unruhig
geworden. Kaum merklich rutschte sein dicker Hintern hin und her. Die
Froschaugen glubschten. Dicke Finger kneteten an der Montecristo herum.
    „In den Jahren 1983 bis 86“,
fuhr Egon fort, „war es meine Aufgabe, den anfallenden Giftmüll zu beseitigen.
Etliches wurde natürlich ordnungsgemäß entsorgt — was mit hohen Kosten
verbunden war. Aber nicht alles. Denn Dr. Priemkau hatte seine eigene
Vorstellung von Sparmaßnahmen. Ich will Sie nicht mit Einzelheiten langweilen.
Nur soviel: Es handelte sich um Gift, das fast so gefährlich ist wie
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