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Im Todesnebel

Im Todesnebel

Titel: Im Todesnebel
Autoren: Clive Cussler
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denn nun endlich einen Drink?« flüsterte sie.
    Pitt nickte dem Barkeeper zu. »Einen Brandy Alexander für die… äh, Lady hier.«
    Sie warf ihm einen finsteren Blick zu, ließ dann jedoch das Lächeln auf ihr Gesicht zurückkehren. »Weißt du denn gar nicht, daß es sehr altmodisch ist, eine Frau als Lady zu bezeichnen?«
    »Oh, das ist unbewußtes Wunschdenken. Jeder Mann wünscht sich ein Mädchen, das genau wie das Mädchen ist, das einmal den lieben Daddy geheiratet hat.«
    »Mamma war ein langweiliges Gänschen«, sagte sie in einem Ton, der bemüht ungezwungen klang.
    »Und was ist mit Daddy?«
    »Daddy war schon immer ein Herumtreiber. Zu Hause war er nie, dafür hat er immer nach irgendeinem faulig riechenden Wrack gesucht oder nach einem untergegangenen Rostkahn. Er liebt eben die See mehr als seine Familie. In der Nacht, als ich geboren wurde, mußte er gerade die Besatzung eines Öltankers retten, der mitten auf dem Pazifik versank. Als ich meine Abschlußfeier an der High-School hatte, suchte er die See nach einem vermißten Flugzeug ab. Und als meine Mutter starb, war unser lieber Admiral gerade dabei, mit ein paar langhaarigen Typen vom Ozeanographischen Institut in Eton Eisberge vor Grönland zu kartographieren.« Eine kaum merkliche Bewegung der Augen ließ Pitt wissen, daß dies ihre schwache Stelle war.
    »Du brauchst über diese etwas kühle Vater-Tochter-Beziehung also keine Tränen zu vergießen. Mein Vater und ich, wir tolerieren uns nur deshalb gegenseitig, weil es allgemein von uns erwartet wird.«
    Pitt sah sie nachdenklich an. »Inzwischen bist du doch erwachsen. Warum ziehst du nicht einfach aus?«
    Der Barkeeper brachte ihren Drink, und sie trank einen Schluck. »Aber wo könnte ich etwas Besseres finden? Ich bin ständig von attraktiven Männern in Uniform umgeben. Das Leben hier hat für mich einen unschätzbaren Vorteil: Es gibt hier Tausende Männer und keine Konkurrenz. Warum sollte ich also woanders hingehen, wo ich mich mit dem begnügen müßte, was andere mir übriglassen? Nein, der Admiral braucht das Image, auch ein sich sorgender Familienvater zu sein, und ich brauche den lieben alten Daddy wegen der kleinen Vorteile, die es hat, die Tochter eines Admirals zu sein.« Sie sah ihn mit gespielter Schüchternheit an. »Sollen wir jetzt in meine Wohnung gehen?«
    »Damit werden Sie sich noch etwas gedulden müssen, Miß Hunter«, sagte plötzlich eine sanfte Stimme hinter ihnen. »Der Captain ist mit mir verabredet.«
    Adrian und Pitt drehten sich in einer Bewegung um. Vor ihnen stand eine Frau von so exotischer Schönheit, wie Pitt sie noch nie zuvor gesehen hatte. Die Augen der Frau waren von einem so intensiven Grau, daß es fast unwirklich wirkte. Und ihr Haar fiel bezaubernd wie eine rote Kaskade und belebte noch den Gegensatz zu dem grünen Gewand, in das ihr wohlgeformter Körper gehüllt war.
    Pitt suchte in seinem Gedächtnis nach einer Erinnerung an sie, aber ohne Erfolg. Er war sicher, die schöne Fremde nie zuvor gesehen zu haben, um so angenehmer stimmte es ihn deshalb, als er jetzt spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Dies war die erste Frau, die seine Gefühle mit dem ersten Blick erregt hatte, seit der Blondine mit den Basset-Augen, von der er in der fünften Klasse während der Pause in den Arm gebissen worden war.
    Adrian brach als erste das Schweigen. »Tut mir leid, Schätzchen, aber wie steht es doch an jedem schönen Familienbesitz zu lesen: Zutritt verboten.«
    Adrian schien die Situation zu genießen. Für sie war die Fremde nicht mehr als ein lästiger Quälgeist. Sie wandte dem Mädchen wieder ihren Rücken zu und setzte ihr Glas an die Lippen.
    Die großen grauen Augen lösten sich auch nicht einen Moment lang von Adrian. »Ihre Unhöflichkeit wird nur noch von Ihrem Ruf als Flittchen übertroffen, Miß Hunter.«
    Adrian war viel zu durchtrieben, um auch nur einen Millimeter zurückzuweichen. Sie blieb ruhig auf ihrem Hocker sitzen und sah auf das Bild der Fremden in dem Spiegel an der Rückwand der Bar. »Fünfzig Dollar?« sagte sie so laut, daß jeder im Umkreis von zehn Metern es hören mußte. »In Anbetracht Ihres amateurhaften Auftretens und Ihrer bestimmt nur mittelmäßigen Talente ist das ein ziemlich überhöhter Preis.«
    Einige Barbesucher, die in der Nähe standen oder saßen, hatten ihre ganze Aufmerksamkeit dem Wortwechsel zugewandt. Zwar zogen die Frauen mißbilligend ihre Stirnen kraus, doch die meisten Männer grinsten
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