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Im Taxi - unterwegs in Kairo

Im Taxi - unterwegs in Kairo

Titel: Im Taxi - unterwegs in Kairo
Autoren: Chalid al-Chamissi
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tausendzweihundert Pfund im Monat. Vor drei Tagen habe ich meiner Frau versprochen, erst wieder zu Hause aufzutauchen, wenn ich die Rate beisammenhätte. Da hatte ich gerade mal zweihundert Pfund. Ich bin ins Auto gestiegen und habe esnur verlassen, um pissen zu gehen, entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise. Ich esse und trinke im Auto, aber geschlafen habe ich die ganze Zeit über nicht. Ich muss das Geld zusammenkriegen und die Rate vor Ende des Monats bezahlen.«
    Â»Aber welchen Sinn hat es, dass Sie die Rate zusammenkratzen und dabei sterben? Stellen Sie sich mal vor, Sie bauen einen Unfall, und ich gehe mit Ihnen drauf!«
    Â»Machen Sie sich mal keine Sorgen, ich will nicht sterben, und ausserdem sind wir alle in Gottes Hand. Und das Geld für die Rate habe ich praktisch beisammen. In den drei verbleibenden Tagen schaffe ich es.«
    Â»Prima. Dann gehen Sie doch nach Hause, und schlafen Sie zwei, drei Stunden. Dann sind es halt drei Tage und drei Stunden, ist doch kein Unterschied.«
    Â»Ich habe geschworen, nicht nur bei allem, was mir heilig ist, sondern auch, dass ich mich sonst scheiden lassen würde. 15 Verstehen Sie das, mein Herr? Wir leben von der Hand in den Mund … Wenn ich nach Hause komme, warten zig Probleme auf mich, meine Kinder, die nichts gegessen haben, und meine Frau, die sich nicht mehr zu helfen weiss. Nein, mein Herr, dieses Taxi verlasse ich nur, um Ibrahîm Issa die Rate zu bezahlen. Erst dann fahre ich nach Hause.«
    Bekümmert stieg ich aus und sah dem Taxi lange nach. Ich erwartete, dass der Fahrer jeden Momenteinschlafen und ein Unfall geschehen würde. Aber nichts passierte. Das Taxi fuhr weiter und verschwand völlig aus meinem Blickfeld.

5
    Â»Da fragen sich die Leute, warum es der Wirtschaft so dreckig geht!«, sagte der Fahrer. »Dabei sind sie selbst schuld. Stellen Sie sich vor: Die Ägypter geben jedes Jahr mehr als zwanzig Milliarden Pfund fürs Telefonieren aus. Zwanzig Milliarden Pfund! Würde es Ägypten nicht bessergehen, wenn wir zwei, drei Jahre lang nicht mehr telefonieren würden?
    Dieses Volk spinnt! Es hat nichts zu fressen, aber jeder läuft mit einem Handy herum und hat eine Zigarette im Mund. Eigentlich sollten Männer doch Grips haben. Aber sie geben ihr ganzes Geld für Handys und Zigaretten aus. Und dann jammern sie: ›Dieses Land ist nicht so, wie es sein sollte!‹
    Alles Geld hier geht an vier Unternehmen: Telecom Egypt, Mobinil, Vodafone und Eastern Tobacco. 16 Und erst die Werbung! Verflucht seien die Werbefritzen, sie machen Druck auf die Leute: ›Wechseln Sie zu Mobinil! Kündigen Sie bei Vodafone!‹ – das ist doch Wahnsinn, die Anzeigen müssten alle verboten werden. Dieser verlogenen Welt sind wir Tag und Nacht ausgesetzt. Die Strassen sind voll von Werbeplakaten. Macht man das Radio an, hört man Werbung. Im Fernsehen das Gleiche. Werbung über Werbung, und jede ist verlogen und eigentlich widerlich.
    Aber die Leute sind wie eine Schafherde, einer folgt dem andern, und alle geben ihr Geld für jeden Mist aus, der irgendwo angezeigt wurde. Und dann behaupten sie, Ägypten habe kein Geld und sei arm! Wie das denn? Wo kommen denn die Milliarden her, die vertelefoniert und verqualmt werden?
    Müsste das Geld nicht zuallererst in Essen, Wohnen, Ausbildung und Gesundheit gesteckt werden? Aber wem soll man das sagen? Schliesslich ist unser Ministerpräsident quasi der Direktor der Telecom. Jedenfalls redet er viel, wenn der Tag lang ist. Redet und redet und redet.
    Aber ehrlich gesagt: Das eigentliche Problem ist nicht die Regierung, sondern die Dummheit der Leute, die ihr Geld für Telefonate und Zigaretten verschwenden. Wenn ich einen Tag lang Präsident wäre, ach was, nur eine Minute lang, würde ich ein einziges Dekret erlassen, und zwar ein absolutes Werbeverbot.
    Als ich jung war, diente die Werbung der Gesellschaft. Damals gab es auch nur wenige Plakate. Heute ist alles mit Werbung zugepflastert, die die Gesellschaft zerstören soll. Sie wird das schon schaffen und sich dann auf den Ruinen breitmachen. Wenn das passiert, können Sie sagen: Abu Ismaîl hat mir das prophezeit.«

6
    Selten habe ich Taxifahrer getroffen, die nicht irgendwann einmal im Ausland gearbeitet hatten. Manche waren sogar jahrelang in mehreren Ländern. Dieser Fahrer war, mit Unterbrechungen, von 1977 bis 2004 im Ausland gewesen, wie er mir erzählte. Kaum
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