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Im Taxi - unterwegs in Kairo

Im Taxi - unterwegs in Kairo

Titel: Im Taxi - unterwegs in Kairo
Autoren: Chalid al-Chamissi
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den Siebzigern, vor dem Krieg, fand ständig irgendwo ein Protest statt. Danach liess Sadât – zur Hölle mit ihm! – sämtliche Preise erhöhen. Es gab einen grossen Aufruhr. Die Leute hatten nämlich durchaus Ahnung von Politik: Sie gingen auf die Strasse, bis Sadât seine Entscheidung zurücknahm. Angeblich hatte er es mit der Angst zu tun gekriegt und war nach Assuan geflohen. Er soll gesagt haben, wenn es hart auf hart käme, würde er sich in den Sudan absetzen, der Feigling! Damals hätte jeder,wirklich jeder die Macht übernehmen können. Leider gab es keinen. Nur eine Menge Arme, die wollten, dass die Preise fallen.
    Zu Nassers Zeiten stellten wir Riesenkundgebungen auf die Beine. Es war unglaublich, plötzlich stand der Präsident persönlich mitten unter uns auf dem Tachrîrplatz. Er wäre niemals nach Assuan geflohen! Das war nach der Niederlage von 1967, ich weiss nicht mehr, wann genau.«
    Â»Ich habe immer noch nicht verstanden, warum Sie sagen, der 18. und 19. Januar seien der Anfang vom Ende gewesen.«
    Â»Damals kapierte die Regierung, dass sie handeln musste und dass die Demos eine Gefahr für sie bedeuteten. Der 18. und 19. Januar waren keine Lappalie, nein, das war der Beginn einer Revolution. Doch die wurde nie zu Ende geführt, denn seitdem pflanzt die Regierung ständig von neuem die Angst vor dem Hunger in uns ein. Heute flehen die Frauen vor einer Demo ihre Männer an: ›Geh bitte nicht auf die Strasse, unsere Kinder werden hungers sterben!‹ Die Männer ihrerseits haben eine Wahnsinnsangst und denken: Warum soll gerade ich mein Leben und meine Familie für irgendetwas Politisches aufs Spiel setzen? Deshalb waren der 18. und 19. Januar der Anfang vom Ende.«
    Waren der 18. und 19. Januar wirklich der Anfang vom Ende? Und was ist das eigentlich für ein Ende, von dem der Fahrer in solch einfachen Worten, aber auch mit solcher Gewissheit sprach?

4
    Ich kam aus dem Kino Galaxy, wo ich den Film Bab al-Schams 13 von Jusri Nasrallah gesehen hatte. Ich hatte mir beide Teile nacheinander angeschaut und war total begeistert von diesem gelungenen Werk. Mein Herz schlug höher, und ich hatte das Gefühl, fünf Zentimeter über dem Boden zu schweben.
    In der Manjalstrasse hielt ich ein Taxi an und fragte den Fahrer: »Ins Stadtzentrum?«
    Â»Gerne«, antwortete er mit leiser Stimme.
    Ich stieg ein, schlug die Tür zu, blickte träumerisch vor mich hin und sah auf der Windschutzscheibe die Filmszene in der Höhle wieder – dem einzigen Ort, der noch nicht von den Israelis besetzt worden war. Mein Inneres erfüllten die sanften Melodien von Tâmir Karawân 14 . Nach einer Weile merkte ich, dass sich unser Wagen nicht rührte, obwohl die Strasse vor uns leer war.
    Ich schaute zum Fahrer, er war eingeschlafen. Ich wusste nicht, was tun. Sollte ich aussteigen und ihn schlafen lassen? Ich zögerte einen Moment, dann berührte ich ihn an der Schulter. Er fuhr erschreckt auf, legte unwillkürlich seine Hand auf den Schaltknüppel und fuhr los. »Wohin, inschallah? «
    Â»Ins Zentrum.«
    Er entschuldigte sich, dass er das vergessen hatte.Doch nur ein paar Sekunden später scherte das Auto nach links aus. Ich schaute abermals zum Fahrer. Sein ganzer Körper war nach links geneigt, und er war wieder eingeschlafen. Ich schrie erschreckt auf und griff nach dem Lenkrad. Der Fahrer wachte auf, brachte den Wagen wieder auf Spur und entschuldigte sich erneut. Ich bat ihn anzuhalten, damit ich aussteigen könne. Er schwor bei allem, was ihm heilig sei, dass das nicht noch mal passierte. Er würde mich sicher ins Stadtzentrum bringen.
    Der Enthusiasmus, den mir Nasrallahs Film beschert hatte, war verflogen, und mein Herz schlug nicht mehr so hoch wie zuvor. Stattdessen ergriffen mich Angst und Sorge. Und tatsächlich: Kaum eine Minute später fuhren wir wieder auf dem Mittelstreifen, und der Körper des Fahrers neigte sich nach rechts, bis seine Schulter meine berührte.
    Wieder schrie ich. Er riss das Lenkrad herum und versicherte mir, dass er nicht eingeschlafen war. Dann redete er ununterbrochen, um nicht wieder einzunicken. »Sehen Sie, mein Herr, ich fahre seit drei Tagen ohne Pause.«
    Â»Was? Seit drei Tagen? Wie denn das?«
    Â»Heute ist der 27. Es bleiben mir also genau drei Tage, dann muss ich die Rate für den Wagen zahlen. Die beträgt
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