Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Taxi - unterwegs in Kairo

Im Taxi - unterwegs in Kairo

Titel: Im Taxi - unterwegs in Kairo
Autoren: Chalid al-Chamissi
Vom Netzwerk:
sechshundert bezahlt. Die Differenz ist für Sie. Sie haben es verdient. Die Taxifahrt ist zweihundert wert. Und die fünfzig Pfund von vorhin sind ein kleines Geschenk.‹
    Sehen Sie, mein Herr, da hat mir eine einzige Fahrt über tausend Pfund 4 eingebracht. Manchmal nehme ich in vier Wochen nicht so viel ein. Sehen Sie, was Gott tut? Er hat mich aus dem Haus gehen lassen, hat dafür gesorgt, dass der Peugeot 504 eine Panne hat, und alles Übrige arrangiert, damit ich zu dem Geld komme. Das tägliche Brot gehört nicht mir, und das Geld gehört auch nicht mir: Alles gehört Gott. Das ist die Lektion, die ich in meinem Leben gelernt habe.«
    Ich war traurig, als ich aus dem Taxi steigen musste, denn ich hätte gern noch ein paar Stunden mit dem Fahrer verbracht. Aber auch ich musste für meinen Lebensunterhalt sorgen.

3
    Eine der unmittelbaren sozialen Auswirkungen der Kifâja 12 -Bewegung auf Kairos Strassen ist, dass an Tagen, an denen Kundgebungen stattfinden, die Taxameter in die Höhe schnellen. Mit Taxameter meine ich natürlich die Preise, denn die Fahrpreisanzeiger dienen sowieso nur dazu, das Auto zu verzieren und die Hosen jener Fahrgäste zu zerreissen, die sich neben den Fahrer setzen.
    An jenem Tag war ich in der Nadi-al-Sajjât-Strasse in Dukki und wollte in die Innenstadt. Ich stand am Strassenrand und wartete auf ein Taxi. Aber immer wenn eins kam und ich »Zentrum!« rief, winkte der Fahrer ab und fuhr weiter. Das war seltsam und erinnerte mich an die schlimmen achtziger Jahre, als es einfacher war, den Schatz von Ali Baba als ein leeres Taxi zu finden. Man muss sich nur die Karikaturen von damals anschauen, um zu verstehen, wie sehr Fahrgäste wie ich unter den gelben Tüchern auf den Taxametern litten, die anzeigten, dass die Fahrer niemanden mitnahmen. Gott sei Dank sind diese Zeiten längst vorbei!
    Jetzt steht man höchstens eine Minute an der Strasse, bevor ein Taxi hält, und man kann zwischen Dutzenden Wagen wählen! Aber jener Tag war offenbar eine Ausnahme. Endlich hielt einer und verlangte sieben Pfund für die kurze Fahrt!
    Ich schrie: »Warum so viel?«
    Â»Da ist eine Demonstration, und auf den Strassen herrscht ein Riesenchaos. Die Fahrt dauert eine Stunde. Eigentlich sind sieben Pfund zu wenig, ich nehme zehn!«
    Kurz und gut, ich willigte ein, obwohl ich sonst höchstens drei Pfund für diese Strecke bezahle.
    Tatsächlich kamen wir praktisch nicht vorwärts. Die Autos standen Stossstange an Stossstange und bewegten sich kaum – es war, als ob wir in einer riesigen Garage eingeschlossen wären.
    Â»Was ist los?«, fragte ich.
    Â»Eine Kundgebung. Keine Ahnung, wofür oder wogegen. Da sind vielleicht zweihundert Demonstranten mit Transparenten, und ihnen gegenüber stehen an die zweitausend Bereitschaftspolizisten und zweihundert Offiziere. Deren Autos und Lastwagen blockieren alles.«
    Â»Der ganze Stau nur wegen zweihundert Demonstranten?«
    Â»Der Stau kommt nicht von der Kundgebung. Das ist doch sowieso keine richtige Demonstration! Wenn wir früher auf die Strasse gingen, waren wir fünfzig- oder hunderttausend. Heute ist nichts so wichtig, dass man dafür auf die Strasse gehen würde. Kaum einer verlässt sein Haus für etwas, was er sowieso nicht versteht. Aber die Regierung hat Angst, ihr schlottern die Knie. Ein Windstoss, und sie fällt um. Eine Führung ohne Rückgrat!«, sagte der Fahrer und lachte.
    Â»Sie meinen, die Regierung müsste mal was zwischendie Zähne kriegen, damit sie wieder zu Kräften kommt?«
    Â»Vergessen Sie es. Das Problem sind wir!«
    Â»Wie meinen Sie das?«
    Â»Wissen Sie, was der Anfang vom Ende war?«
    Â»Was denn?«
    Â»Der 18. und 19. Januar.«
    Ich war überrascht, das hörte ich zum ersten Mal. Ich hatte eine der üblichen Antworten erwartet, aber der 18. und 19. Januar: das war neu. Ob er wohl wusste, dass die Demonstrationen an diesen Tagen, die Präsident Sadât als »Aufstand der Diebe« bezeichnet hatte, 1977 stattgefunden hatten? Keine Ahnung, warum mir diese blöde Frage in den Sinn gekommen war, aber ich stellte sie ihm: »In welchem Jahr war das denn?«
    Â»Das war in den Siebzigern. Ungefähr 1979.«
    Â»Und warum war das der Anfang vom Ende?«
    Â»Das waren die letzten richtigen Demos auf Kairos Strassen. In den Sechzigern gab es eine Menge Kundgebungen, und in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher