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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)
Autoren: Carmen Lobato
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erzählt, dass du ihm ständig den Wagen stiehlst.«
    Sie sprang zu ihm und warf die Arme um ihn. »O Jaime, es ist gutgegangen? Du hast es geschafft?«
    »Er hat mich geschafft«, erwiderte Jaime und lächelte. Er hat das schönste Lächeln der Welt, dachte sie. Wie ein befreites Fohlen, das seine eigene Kraft spürt, weil nichts mehr es fesselt und duckt.
    »Er war nicht hart zu dir, nicht wahr?«
    »Doch«, sagte Jaime. Seine Augen glänzten. »Ich glaube, er ist der erste Mann, den interessiert, wer ich bin.«
    Zart, mit der Fingerspitze, fuhr sie unter seinem Auge entlang. Verlegen senkte er den Kopf, und sie zog ihn an sich. »Ja, mein Liebling. Und daran, dass du ihn für dich gewinnen wirst, habe ich nicht den geringsten Zweifel.«
    Leise lachte er. »Ich schon. Aber ich wollte ja um jeden Preis eine neue Herausforderung.« Dann wurde er ernst und nahm ihr Gesicht in die Hände. »Er hat mir gesagt, dass du morgen nach Querétaro fährst. Und dass du eine schlimme Nachricht bekommen hast.«
    Sie sog sein Bild in sich auf, jeden einzelnen Zug. Dann nahm sie seine bloße Hand in die ihre und streichelte sie mit den Lippen. Traurigkeit griff nach ihr, auch wenn sie dem Glück nichts anhatte. »Ja, ich muss morgen nach Querétaro. Etwas Furchtbares ist dort geschehen. Es kann sein, dass ich lange bleibe.«
    Er nickte und ließ ihren Blick nicht los. »Bleib, solange es nötig ist. Auch wenn ich toll vor Angst sein werde, du könntest dich in Querétaro fragen, warum du dich mit einem derart abscheulichen Kerl überhaupt herumschlagen sollst.«
    »Weil er mir schmeckt«, sagte sie und biss ihn ins Ohr.
    »Anavera … wenn deine Schwester mich gehen lässt, darf ich dich dann besuchen kommen und dein Tal mit den Apfelbäumen kennenlernen?«
    Und meine träumenden Götter, dachte Anavera. Die uns genauso segnen müssen wie der Herrgott in Santa María de la Sede. Nein, die alten Götter, die über dem Tal schliefen, forderten kein Blut von ihren Untertanen. Sie forderten gar nichts mehr, nur zuweilen eine Erinnerung. Ein Flüstern, wie in Träumen. »Bitte komm mich besuchen«, sagte sie zu Jaime. »Ich will dir meinen schönen storchenbeinigen Andalusier vorstellen und meinen Bruder Vicente, der wie die Maya den Lauf des Lebens aus den Sternen liest.«
    »Und sagst du mir auch, was für eine Nachricht du bekommen hast?«
    Als sie zusammenzuckte, hielt er sie fest. Sie hatte vorhin mit Tomás nicht darüber sprechen wollen, aber sie wollte mit Jaime sprechen, und so war es gut. Sie lehnte den Kopf an seine Schulter. »Sie haben dir gesagt, dass der Mörder deines Vaters gestanden hat, nicht wahr?«
    »Ja«, antwortete Jaime. »Aber um ehrlich zu sein, ich hatte solche Angst vor deinem Vater, dass ich an meinen überhaupt nicht mehr denken konnte.«
    »Der Mörder ist Acalan«, sagte Anavera und ließ die Tränen laufen. »Ein junger, sanftmütiger Mann, den dein Vater ohne Ende gedemütigt hat. Irgendwann hat er sich vergessen und ist hingegangen und hat ihn erwürgt. Meine Base Elena hat ihn fünf Jahre lang geliebt.«
    Er bettete ihr Gesicht an seine Schulter, streichelte ihr den Rücken und wiegte sie.
    »Er wird gehängt«, sagte sie erstickt.
    »Kann dein Vater nichts tun?«
    »Er versucht es, aber er hat wenig Hoffnung.«
    »Wenn ich euch helfen kann, lass es mich bitte wissen, Anavera. Ganz egal, wie das Gespräch mit deiner Schwester ausgeht.«
    Noch einmal fuhr sie zusammen und schluchzte leise auf. Dann krallte sie beide Hände so fest in seine Arme, dass es ihm weh tun musste. »Ich kann das nicht, Jaime. Ein paar Wochen von dir getrennt sein, weil Elena mich braucht, ist erträglich – aber auf dich verzichten, wenn Josefa dich nicht freigibt, nicht.«
    Sie erkannte sich selbst nicht wieder. Josefa bekam kein Kind, aber sie war an dem, was Jaime ihr angetan hatte, so krank geworden, dass sie hatte glauben müssen, sie bekäme eines. Anavera hatte versprochen, ihr den Geliebten zurückzubringen, und das hatte sie getan, doch hier stand sie und hielt, was ihrer Schwester gehörte, verzweifelt in den eigenen Händen. Ich wollte immer das Richtige tun, dachte sie, aber jetzt soll mir das Richtige gestohlen bleiben. »Ohne dich geht nicht mehr, Jaime«, sagte sie. »Für ohne dich ist es zu spät.«
    Er küsste sie. »Für mich war es das immer, glaube ich. Trotzdem muss ich Josefa fragen, was ich ihr schulde, und einen Weg finden, die Schuld abzugelten. Andernfalls kann ich mich einer Frau wie dir nicht
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