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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Högli, »wird Paddy sterben. Wünsch es dir nicht Juan! Du hast ihm Rosalie ins Bett gelegt! Stirbt Paddy an der Cholera, übergebe ich dich der Polizei!«
    »Er ist ein Mörder, Chef! Ein Mörder!«
    »Bist du sein Richter? Sein Henker, im weißen Kittel mit dem Roten Kreuz auf der Brust? Zieh diesen Kittel nicht mehr an, sag ich dir!«
    »Chef –«
    »Einen Wagen!« brüllte Dr. Högli.
    Statt Juan-Christo rannte Evita davon, hinüber zu den Mexikanern, die sich langsam erhoben, nachdem Pater Felix an ihnen vorbeigegangen war. Högli sah, wie sie auf die Capatazos einsprach, wie drei, vier Mann wegliefen zu den Garagenschuppen, um Paddys starken Geländewagen zu holen.
    Porelle, dachte Högli plötzlich. Wo ist Pierre Porelle geblieben? Der Landrover liegt da unten, also muß Porelle auf der Hacienda sein. Hat er sich versteckt? Oder hat es, bevor wir eintrafen, hier zwischen ihm und Paddy ein Drama gegeben?
    »Such Porelle, Juan!« fuhr Dr. Högli seinen Krankenpfleger an. »Er muß irgendwo im Haus sein.«
    »Nein. Er liegt dort.« Juan-Christo zeigte mit ruhiger Hand auf den Platz. Unter dem umgestürzten, zerbrochenen Handkarren schimmerte es im Widerschein des Scheinwerferlichts weiß und rötlich. Zwei Mexikaner waren gerade dabei, die Trümmer wegzureißen und Porelles zertrampelten Körper freizulegen. »Er lag im Weg.« Juan-Christo hob die Schultern. »Er war hierher gekommen, um Sie zu töten, Chef.«
    »Mach, daß du wegkommst!« sagte Dr. Högli grob. »Weit weg! Ich will dich nicht mehr sehen!« Paddy bewegte sich. Sein Gesicht begann zu zucken, seine breite Brust sog röchelnd die Luft ein. Von den Garagen fuhr der Geländewagen heran. Einer der Vorarbeiter saß am Steuer, bremste vor der Treppe, sprang aus dem Auto, ließ den Motor laufen und rannte davon.
    Die Cholera, dachte Dr. Högli. Natürlich haben sie alle Angst. Niemand wird bereit sein, Paddy in den Wagen zu tragen. Sie würden ihn alle hier oben auf der Treppe verrecken lassen. Er beugte sich über Paddy und ohrfeigte ihn rechts und links so lange, bis er die Augen aufschlug.
    »Bleiben Sie liegen«, sagte Dr. Högli. »Sie werden jeden Hauch von Kraft brauchen können. Wie fühlen Sie sich?«
    »Dr. Högli …« Paddy streckte sich. Auch in seinen Augen hatte sich die Angst eingenistet. »Helfen Sie mir!«
    »Natürlich. Auch wenn Sie's nicht wert sind.«
    »Man hat mir ein an der Cholera sterbendes Mädchen ins Bett gelegt.«
    »Ich weiß. Rosalie ist tot.«
    »Und nun ist es auch mit mir vorbei.« Paddy hob den Kopf. Dr. Högli drückte ihn mit der flachen Hand wieder herunter. »Was soll der Lärm?«
    »Ganz Santa Magdalena planscht in Ihrem Schwimmbecken und säuft sich die schönsten Magen- und Darmkrankheiten an. In drei Tagen werde ich die Kranken im Hospital stapeln können. Verdammt, liegen Sie ruhig, Paddy! Ich bringe Sie ins Hospital. Ich muß nur einige Männer finden, die Sie wegtragen.«
    »Wozu? Ich kann gehen!« Paddy schob Höglis Hand von seiner Stirn und setzte sich. Erst jetzt überblickte er das ganze Chaos, die jubelnden, schreienden, sich im Wasser wälzenden Menschen, das hochaufgerichtete Kreuz und Pater Felix mit den Peitschen, der das Schwimmbecken gleich erreicht hatte.
    »Sie haben gewonnen, Doktor«, sagte Paddy, plötzlich unendlich müde. »Sie und der Pfaffe haben es geschafft! Mich geschafft! Aber so einfach ist das Ende nicht. Sie werden jetzt die ganze ›Organisation‹ auf den Hals bekommen. Wo ist dieser Porelle?«
    »Tot! Zertrampelt!«
    »Mein Gott!« Paddys Kopf sank auf die breite Brust. »Und gerade er wollte Ihnen das Tor aufmachen!« Er versuchte aufzustehen, zog sich am Gitter hoch und stand schwankend auf seinen säulenartigen Beinen. »Ich spüre noch nichts«, sagte er. »Aber die Angst, Doktor, die Angst! Habe ich die Cholera? Hat mich das kleine Indio-Aas angesteckt?«
    »Keine Ahnung. Die Inkubationszeit ist noch zu kurz.«
    Paddy wollte etwas sagen, aber plötzlich hob er den Kopf, warf ihn in den Nacken und starrte in den Nachthimmel. Dicke Wolken zogen träge über das Tal, ballten sich zwischen den Felsen, verklumpten den Himmel. Zitternd streckte er den Arm aus und drehte die Handfläche nach oben. Auch einige der Mexikaner hatten die Köpfe gehoben, sie schienen nicht zu glauben, was sie sahen.
    Wolken? Nach acht Monaten Glut plötzlich Wolken? Acht Monate lang eine Sonne, die alles vom Himmel wegbrannte, und jetzt tatsächlich Wolken? Weiß einer noch, wie eine Wolke aussieht?
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