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Im Spiegelbild der schwarzen Spinne (German Edition)

Im Spiegelbild der schwarzen Spinne (German Edition)

Titel: Im Spiegelbild der schwarzen Spinne (German Edition)
Autoren: Joachim H. Schwarz
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erschütterte mich zutiefst, denn es würde vermutlich das letzte leise Geräusch sein, das ich im Rest meines kurzen Lebens vernehmen würde. Das Nächste wäre der zu erwartende Knall, eine Explosion, die meine Ohren für einen Augenblick erschüttern würde, dann käme der Moment, in dem mein Gehirn an die Wand spritzt und ich leblos zu Boden fallen würde. Meine Blase würde sich vermutlich zuallererst verabschieden, peinlich, aber voraussehbar und dann wäre ich Geschichte, keine Schöne, aber Geschichte. Mein Bruder würde alleine weiterkämpfen müssen und ich könnte ihm nie wieder zur Seite stehen.
     
    Das Handy rauschte kurz.
    Krrk … „Fuller, Sie bekommen, was Sie verlangen.“
    Fuller zog die Augenbrauen hoch. Nicht, weil er überrascht war, endlich eine Entscheidung zu hören, sondern vielmehr weil er die Stimme, die sich gemeldet hatte, nicht kannte.
    „Wer spricht da?“
    „Hier spricht der Chief der Sondereinheit für Drogenverbrechen. Ich habe mich mit Wolf beraten. Wir sind zu dem Entschluss gekommen, Ihnen zu geben, wonach Sie verlangen. Haben Sie verstanden? Sie bekommen, was Sie fordern!“
    Fuller überlegte kurz, während ich innerlich jubelte. Sie zahlten für mich, was für ein Triumph. Ab heute war ich dreißig Mill ionen Dollar wert. Dreißig Millionen, was für eine Summe. Ich konnte nur hoffen, ein Prozent davon abzubekommen, quasi als Entschädigung. Ich war begeistert, allerdings nur drei Sekunden, denn Fuller spuckte wütend ins Telefon:
    „Ihr miesen Verräter, Ihr wollt mich hinhalten.“
    Er legte auf und feuerte das Telefon wutschnaubend gegen die Wand. Die Einzelteile spritzten durchs Zimmer wie nach einer Detonation. Ich würgte einen dicken Kloß hinunter, nicht, weil es mein Handy gewesen war, vielmehr weil ich meine kostbaren Felle in einer Sturmflut davonschwimmen sah. Fuller kochte vor Wut, drehte sich zur Wand und schoss zweimal wild und ungezielt in die Decke. Schließlich drehte er sich zu mir um und bedrohte mich wieder mit der Waffe. Mein Kopf war erneut in Gefahr.
    „Du!“, schrie er mich an, obwohl er ahnen könnte, dass mir sein Ton nicht gefallen würde.
    „Ich werde dich erschießen müssen.“
    Ich schluckte noch einen Kloß. So langsam war ich Klöße satt.
    „Bitte nicht. Ich kann doch nichts dafür“ , jammerte ich stotternd, während ich um die Kontrolle meiner Blase rang.
    „Dein Bruder“, begann er, „ich werde ihn töten. In kleine St ücke schneide ich ihn. Aber vorher werde ich dich erschießen. Du sollst wissen, dass es seine Schuld ist, dass du sterben musst. Hast du das verstanden?“
    Ich stand kurz davor in lautes Heulen und Klagen zu verfallen. Meine Augen spülten die Tränen aus, bevor ich begriff, was vor sich ging. Im Angesicht des Todes weiß niemand so genau, wie er reagieren wird. Ich weinte wie ein kleines Kind, jammerte, dass ich mein Leben jetzt verlieren würde, obwohl ich nie so recht herausgefunden hatte, wie man richtig lebt. Jetzt heulte ich und mir wurde klar, dass ich Jahre meines Lebens damit verschwendet hatte, irgendwelchen dämlichen Ängsten zu frönen, Angst vor Nichtigkeiten, Furcht vor Dingen, die für die Menschen völlig normal sind, ja, sogar zum langweiligen Alltag zählen, und nun heulte ich um mein ach so jämmerliches Leben. Im Grunde hatte ich gar kein richtiges Leben. Ich war ein Schatten meiner selbst, niemand kennt mich, ich habe keine Freunde, meine Freundin ist eine Illusion, sie ist in Wirklichkeit meine Therapeutin und meine Eltern, Großeltern, alle tot. Einzig mein Bruder steht auf meiner Seite, auch wenn er mich meist beschimpft hat. Für ihn war ich immer ein Freak, ein Verrückter der nichts auf die Reihe brachte. Aber er war allzeit für mich da, beharrlich über Jahrzehnte hinweg hatte er sich um mich gekümmert, nur heute nicht. Heute war ich auf mich allein gestellt und mir wurde klar, dass es Zeit war, abzutreten. Diese Welt hatte mir nichts Gutes zu bieten. Unzählige Ängste, die mich daran hinderten, am normalen Leben teilzuhaben, spiegelverkehrte Welten in denen tödliche Kreaturen auf mich warteten. Nein! Genug ist genug. Ich sollte dem ins Auge blicken, was mich erwartete. Es könnte durchaus interessant werden, herauszufinden, was nach dem Leben noch kommt. Die Tatsache, dass wir alle Angst vor dem Tod haben, setzt nicht voraus, dass er uninteressant oder langweilig sein wird. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es nach dem Leben etwas sehr interessantes zu erfahren
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