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Im Spiegelbild der schwarzen Spinne (German Edition)

Im Spiegelbild der schwarzen Spinne (German Edition)

Titel: Im Spiegelbild der schwarzen Spinne (German Edition)
Autoren: Joachim H. Schwarz
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über dem Waschbecken, doch kann ich mich nicht sehen, vielmehr blicke ich auf die andere Seite in mein wahres Badezimmer. Wie ich dies hasse. Jeder Spiegel, jede Glastür, alles Glas dieser Welt eröffnet mir lediglich einen Blick zur anderen Seite, derselbe Raum, nur andersherum, allerdings auch nur, wenn ich mich auf der spiegelverkehrten Seite befinde. Der einzige Vorteil dieser Welt stellt sich dadurch ein, dass mir alle Türen offen stehen, es gibt kein Schloss, das abgesperrt ist, keine Tür, die ich nicht öffnen kann, es sei denn, sie ist aus Glas. Dann kann ich lediglich die andere Seite sehen.
     
    Mir war klar, dass ich auf der falschen Seite stand und einen Weg auf die andere suchen musste. Zögerlich hob ich meine Hand in Richtung Spiegel, berührte ihn jedoch nicht, spürte aber jetzt schon, dass er mich, wie das Licht die Motte, anzog. Eine sanfte, aber dennoch spürbare Saugkraft. Wie in einer Zeitlupe näherte ich mich dem Spiegel, der mich in mein reales Bad blicken ließ. Der Sog wurde stärker und als ich ihn endlich berührte, konnte ich ihn seltsamerweise nicht spüren. Eine sanfte Kälte umspülte meine Hand und ich griff direkt hindurch, bis meine Hand auf der anderen Seite war und ich die Wärme meines beheizten Bads fühlte.
    Erschrocken zog ich meine Hand zurück. Es war wie immer, auch wenn ich immerzu hoffte, es wäre nur ein Spiegel und kein Fenster. Im Augenblick hatte ich nur ein kleines Problem. Dieser Spiegel war zu klein, um mich vollständig auf die andere Seite zu befördern, wie also sollte ich hindurch gelangen. Ich musste einen größeren suchen. In meiner Wohnung würde die Suche zwecklos sein, denn dies war der einzige Spiegel, den ich besaß. Der Grund war schlicht und einfach. Ich hatte Angst vor Spiegeln, aber diesen einen über dem Waschbecken benötigte ich um mich rasieren, ohne mein Gesicht mit Schnitten zu verunstalten, meine Frisur zu richten oder einen Pickel auszudrücken. Ein Mensch braucht einen Spiegel, und aufgrund seiner geringen Größe schien er mir ungefährlich, doch jetzt in diesem Augenblick wünschte ich mir, er wäre groß genug um mich hindurch zu lassen, damit ich wieder in meine geräuschvolle Welt zurückkehren konnte und natürlich, damit ich mich wieder im Spiegel sehen konnte. Eine große Glasscheibe würde mir auch nicht helfen, denn der einzige Weg zurück war und blieb ein Spiegel. Ich war der einzige Mensch auf der Welt, der durch Spiegel gehen konnte, um in eine menschenleere und völlig geräuschlose Welt zu gelangen. Was für ein Alptraum.
     
    Ich blickte auf meine Hand und spürte immer noch die Kälte, die durch sie gedrungen war, ein seltsam befremdendes Gefühl und zum wiederholten Male fragte ich mich, wie ich zurück in meine Welt gelangen konnte. Mein Blick fiel durch den Spiegel in mein reales Badezimmer und ich zuckte zurück, als eine Hand hindurchraste und mich so fest an die Gurgel packte, dass ich keine Luft mehr bekam…
     
     
    Ka pitel 2

     
    Erschreckt wälzte ich mich aus dem Bett und stürzte qualvoll der Länge nach zu Boden. Mein Nachtkästchen bestätigte mir seine harthölzerne Beschaffenheit mit einem schmerzhaften Knall und ich wusste, dass mich die sehr bald entstehende Beule mindestens eine Woche lang an dieses Ereignis erinnern würde. Knurrend rieb ich mir den schmerzenden Kopf und setzte mich auf. Wieder dieser verfluchte Traum, dessenthalben ich mich seit unzähligen Jahren in einer Therapie befand, die wohl niemals enden würde.
    Schon im Alter von acht Jahren schickten mich meine Eltern zum Therapeuten und heute, ganze vierzehn Jahre später, litt ich immer noch unter denselben Symptomen. Nicht, dass ich meine aktuelle Therapeutin nicht mochte, aber eine Heilung oder zumindest eine Besserung hatte offensichtlich dieselben Chancen, wie ein Sechser im Lotto, auch wenn besagte Therapie weniger mit Glück zu tun hatte, als mit Geldmacherei. Dennoch rede ich mir vor jedem Termin bei meiner Therapeutin ein, dass es doch immer wieder welche schaffen, den Jackpot irgendwie zu knacken, und dann sind diese Leute reicher als Krösus , falls es den überhaupt jemals gegeben hat. Vielleicht eine Geschichte, die von der Lottogesellschaft herausgegeben wurde. Derlei Schlagzeilen bestimmen unseren Alltag, ist es nicht so? Es gibt so viele Gewinner, wieso bin ich nie dabei?
    Noch etwas beschäftigt mich stets vor meinen Therapiesitzungen. Frau Doktor Senfling ist eine wirklich heiße Braut, um es einmal auf den Punkt
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