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Im Spiegelbild der schwarzen Spinne (German Edition)

Im Spiegelbild der schwarzen Spinne (German Edition)

Titel: Im Spiegelbild der schwarzen Spinne (German Edition)
Autoren: Joachim H. Schwarz
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weil ich mein Bier nicht bezahlt hatte. Ich sollte wirklich zurückgehen und die Zeche löhnen… andererseits… war mir dieser Trottel völlig gleichgültig und wenn ich schon mal hier war...
     
    Erstaunlicherweise verspürte ich keinerlei Ängste mehr, in dieser tonlosen, spiegelverkehrten Welt, vielmehr fragte ich mich, wieso ich Zeit meines Lebens so viel Angst vor den Spiegeln gehabt hatte. Ich war, wie in meinen Träumen auch, völlig unversehrt und verspürte keinerlei Schmerzen. Die Regungslosigkeit in dieser Welt wirkte regelrecht beruhigend auf mich und ich dachte an mein Kindheitstrauma, welches mir diese Ängste beschert hatte. Damals hatte ich meine Hand im Spiegel und als ich sie erschrocken wieder heraus gezogen hatte, blutete sie und schmerzte fürchterlich. Niemand wollte mir glauben, und als sie feststellten, dass ich Bisswunden an der Hand hatte, brachten sie unseren Hund zum Tierarzt. Ich habe ihn nie wieder gesehen. Ich selbst weiß, dass es nicht der Hund gewesen war, es waren die Spiegel und heute frage ich mich, was mich da gebissen hatte, denn diese Welt war absolut leblos. Nichts rührte sich, nichts verursachte Geräusche, es war friedlich und still. Könnte es sein, dass es hier doch etwas Lebendiges gab? Etwas, was mich, zum Beispiel beißen hätte können? Im Augenblick konnte ich keine Bewegung ausmachen, dennoch blickte ich mich genauer aber entspannt um und, Sie werden es kaum glauben, ich fühlte mich richtig wohl. Dann fiel es mir ein. In meinen Träumen konnte ich jede Türe öffnen, es gab keine Schlösser, ich hatte unbegrenzten Zugang zu allen Räumen, Häusern oder was auch immer. Das war die Chance, meinem Bruder zu helfen, etwas herauszufinden . Schließlich gab es nur einen Grund für mich, diese schmutzige Bar überhaupt betreten zu haben. Ich drückte die Türklinge der verspiegelten Tür und öffnete den Ausgang der Waschräume. Als ich die Bar betrat, sah alles aus, wie vorher auch, obgleich die Leuchtschrift über der Bar in roten und grünen spiegelverkehrten Lettern den Namen einer Bierbrauerei heraus blinkte. Was soll’s. Das machte mir keine Angst. Der Barmann war nicht da, aber mir war klar, dass der Kerl, in der richtigen Welt hinter der Bar stand, sich den Kopf zerbrach wo ich war, während er mit seinen schmutzigen Fingern Erdnüsse in die Gästeschalen füllte. Leute, esst diese Nüsse nicht , dachte ich und ging zur Tür hinaus auf die reglose, stumme Straße.
     
    Es war still , könnte man den Satz an dieser Stelle beginnen, doch das wäre Blödsinn, denn in dieser Spiegelwelt gab es ohnehin keine Geräusche, aber es gab Licht und ich wunderte mich, war ich doch am frühen Nachmittag in die Bar gegangen und hier war es später Abend, wie mir schien. Die Straßenbeleuchtung war aktiv und die Lichter in den Häusern brannten ebenfalls. Spielte Zeit in dieser Welt eine andere Rolle als in der richtigen Welt? Oder kostete mich der Sprung zwischen diesen Welten etwa mehr Zeit, als ich spüren konnte? Ich kann gar nicht sagen, wie egal mir das im Augenblick war. Zielstrebig marschierte ich die Straße runter und blieb abrupt vor dem Haus mit der Nummer sechs, die Drogenhütte, stehen. Heute konnte mich nichts mehr aufhalten. In aller Ruhe würde ich mich in diesem Haus umsehen, alles durchsuchen und mit ein wenig Glück würde ich meinem Bruder einige Informationen geben können, die ihm eine Verhaftung ermöglichten. Gerade erklomm ich die drei Stufen zur Haustüre, als ich ein Geräusch vernahm. Ein Geräusch? Hier? Es klang wie Getrappel, keine Pferde, vielmehr dachte ich an eine Horde wild gewordener Jugendlicher, die durch die Straßen rannten. Ich hörte den entfernten Schall mehrerer Füße, die mit harten Sohlen auf der Straße klapperten. Ich hörte was , das machte mich an erster Stelle misstrauisch und dann gleich eine ganze Horde, das machte mich an zweiter Stelle misstrauisch. Es klang allerdings noch sehr entfernt, also beeilte ich mich, im Haus Nummer sechs zu verschwinden und entschloss mich gleichzeitig, das Geräusch-Mysterium zunächst in die Warteschleife zu legen. Ich würde mich später damit beschäftigen müssen. Meinem Bruder zu helfen, das ging vor.
     
    Mit einem zufriedenen, aber unhörbaren Knallen warf ich die Tür hinter mir zu und sah mich um. Hier im Flur erkannte ich den Schnitt der Wohnung sofort. Sie war einfach gestrickt, die Zimmertüren zogen sich abwechselnd links und rechts durch den Gang. Links, die erste Tür führte
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