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Im Sommer sterben (German Edition)

Im Sommer sterben (German Edition)

Titel: Im Sommer sterben (German Edition)
Autoren: Michael Theurillat
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auf »Fischen« wäre er nie gekommen.
    »Jawohl. Fliegenfischen«, erwiderte Salvisberg, der die Irritation seines Gesprächspartners bemerkte. »Kommen Sie doch mal mit. Ich fische schon seit Jahren an der Sihl. Dort ist es schattig und ruhig. Keine Menschenseele.«
    »Wie bei Ihnen in der Pathologie. Da ist auch keine Menschenseele mehr.«
    Salvisberg kicherte erneut. »Genau. Und keiner reklamiert die schlechte Behandlung.«
    »Jetzt mal im Ernst, Salvisberg. Kann man Rückschlüsse darüber ziehen, in welchem Einschusswinkel die Kugel eindrang?«
    »So ungefähr kann ich Ihnen das schon zeigen. Nur nicht am Kopf des Toten. Da ist nämlich nicht mehr viel ganz.«
    »Verstehe.« Eschenbach verzog den Mund. »Anhand einer Puppe könnte man es aber rekonstruieren?«
    »Klar. Kommen Sie vorbei. Am besten bringen Sie gleich ein Modell mit …«
    »Sie lachen. Aber genau das habe ich vor. Allerdings kann ich nicht selbst kommen. Claudio Jagmetti, mein Assistent, wird das übernehmen.«
    »Ich freue mich.«
    »Und bitte, Salvisberg. Verschonen Sie den Jungen. Er kommt frisch von der Polizeischule, und ich wäre froh, wenn er dabeibleibt. Es gibt genug traumatisierte Polizisten.«
    »Klar. Ich faxe Ihnen noch den Bericht. Bis bald … und kommen Sie doch einmal fischen. Ich würde mich freuen.«
    »Vielleicht … bis bald.«
    Eschenbach legte auf und drückte den Knopf der Gegensprechanlage, die ihn mit Frau Mazzoleni verband.
    »Schicken Sie mir Jagmetti, wenn Sie ihn finden.«
    »Mache ich«, tönte es scherbelnd durch den Lautsprecher. »Wie war es mit der Kobler, Chef?«
    »Recht anständig. Ich glaube, sie hat sich gefangen.«
    »War ja auch fies, was die Medien in den letzten Monaten über sie geschrieben haben«, scherbelte es weiter.
    Eschenbach ließ es dabei bewenden. Er nahm die Unterschriftenmappe, schaute sie kurz durch und zeichnete sie an den entsprechenden Stellen ab. Dann stand er auf, nahm sein Jackett und verließ das Zimmer.
    Als Eschenbach den Korridor entlang in Richtung Treppe ging, kam ihm Claudio Jagmetti entgegen.
    »Sorry, Chef. War noch beim Zahnarzt.«
    »Oh, Sie habe ich völlig vergessen«, sagte der Kommissar. »Kommen Sie mit … und hören Sie um Gottes willen auf mit dem dämlichen Chef .«
    Sie gingen wortlos nebeneinander her zum Ausgang. Als sie durch die Drehtür das klimatisierte Präsidium verließen, schlug ihnen die sommerliche Hitze entgegen.
    Das Café schräg gegenüber hatte bereits die ersten Mittagsgäste, die es sich im Garten zwischen den Terrakotta-Töpfen gemütlich machten.
    Die beiden Polizisten überquerten die Straße und fanden an einem der kleinen grünen Bistrotische Platz. Eschenbach erklärte, dass er den Mord am Golfer nachmittags auf dem Golfplatz nachstellen wolle. »Dazu brauchen wir eine lebensgroße Schaufensterpuppe mit beweglichem Kopf.«
    Jagmetti musterte den Kommissar ungläubig.
    »Besorgen Sie sich eine Puppe, am besten in einem Kaufhaus, und dann gehen Sie damit zu Salvisberg in die Gerichtsmedizin. Die wissen Bescheid dort, dass Sie kommen.«
    »Mache ich«, sagte der junge Polizeischüler, nachdem er alles fein säuberlich auf einem kleinen karierten Block notiert hatte.
    »Danach fahren Sie auf den Golfplatz … Golfclub Zürichsee , und organisieren einen Golfpro.«
    Jagmetti nickte.
    »Wissen Sie, was das ist: ein Golfpro?«, fragte Eschenbach.
    »Ein Professional, nehme ich an. Einer, der weiß, wie man Golf spielt«, antwortete Jagmetti, als verstünde er die Frage nicht.
    »Genau, ein Golflehrer«, präzisierte der Kommissar. »Der soll uns ab fünfzehn Uhr zur Verfügung stehen.«
    »Okay, wird gemacht«, sagte Jagmetti, stolz, dass er als Praktikant in einen so wichtigen Fall eingebunden wurde.
    Eschenbach legte das Geld für die Getränke auf den Tisch. Sie standen auf, verließen das Café in Richtung Bahnhofstraße und trennten sich.
    Der Kommissar war gespannt, was der junge Mann mit dem doch vage formulierten Auftrag anfangen würde. Beim Gehen kamen ihm Zweifel, ob er sich verständlich genug ausgedrückt hatte. Dass der junge Polizist weder nachgefragt noch Bedenken geäußert hatte, überraschte ihn. Es stand nicht im Einklang mit den Erfahrungen, die er mit Praktikanten in der Vergangenheit gemacht hatte.

3
    Die Büros der Zürcher Handelsbank lagen am Rennweg, in einer der schönsten Straßen Zürichs. Der Eingang war links und rechts von Sandsteinsäulen flankiert, eine solide Glastür bot Einblick in die
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