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Im Sommer sterben (German Edition)

Im Sommer sterben (German Edition)

Titel: Im Sommer sterben (German Edition)
Autoren: Michael Theurillat
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sich zurück und überließ die Ausführung Eschenbach, der es verstand, mit seiner behäbigen Art aus einem Elefanten eine Mücke zu machen.
    »Eine letzte Frage noch, dann ist Schluss für heute«, sagte er und zog einen Zigarillo aus der Jacke. Seit dem 1. Januar herrschte im ganzen Präsidium Rauchverbot; es war klar, dass er rauswollte.
    »Rechnen Sie damit, dass der Täter nochmals zuschlägt?« Die Frage kam von einer jungen Journalistin, die für das Zürcher Tagblatt schrieb. Sie schien neu zu sein, denn Eschenbach hatte sie noch nie gesehen.
    »Wir gehen im Moment nicht davon aus, obwohl man das natürlich nie mit Sicherheit wissen kann.«
    Es kamen noch zwei Fragen, die in dieselbe Richtung zielten, dann winkte Eschenbach ab. Er sah zu Elisabeth Kobler, beide nickten einander zu; das vereinbarte Zeichen. Sie übernahm, dankte und beendete die Medienkonferenz.
    »Sie hätten Löwenbändiger werden sollen«, sagte Kobler, als sie draußen im Flur standen. Sie schien sichtlich erleichtert und wieder bei Laune zu sein. »Befürchten Sie wirklich, dass er noch mal schießt?«
    »Habe ich das gesagt?«
    »Nein, aber gedacht!«, fügte sie leise hinzu und legte ihre Hand auf Eschenbachs Schulter.
    »Jetzt hoffe ich nur, dass außer Ihnen niemand mehr meine Gedanken lesen kann. Sonst haben wir einen Serienkiller, bevor nur das Geringste vorliegt.«
    » Good luck «, sagte sie noch auf dem Weg zum Ausgang. Dann verließ die Polizeichefin das Gebäude durch die Drehtür.
    Eschenbach stieg die Treppe hinauf in den dritten Stock. Rosa Mazzoleni war in ihren Computer so vertieft, dass sie gar nicht merkte, wie er an ihr vorbeihuschte.
    Er trat ins Büro, schloss die Tür hinter sich und zündete die Brissago an, die er die ganze Zeit in den Händen gehalten hatte.
    Rauchen in Einzelbüros war weder verboten noch erlaubt. Die Regelung dieser Frage ließ auf sich warten. Da zwei Exekutivmitglieder der Regierung starke Raucher waren, war vorerst nichts zu befürchten.
    Eschenbach öffnete einen Fensterflügel und blies den Rauch nachdenklich in die schwülwarme Sommerluft. Er durfte keine Zeit verlieren. Auch wenn es ihm zutiefst widerstrebte, jetzt, da die Sonne richtig zu brennen begann; er musste wieder raus auf den Golfplatz.
    Er bat Rosa Mazzoleni, in der Gerichtspathologie anzurufen und ihn mit Dr. Salvisberg zu verbinden. Eschenbach zweifelte daran, dass sie ihn erreichen würde. Um diese Zeit war er selten da. Nebenbei hielt er Vorlesungen in forensischer Medizin an der Universität Zürich, korrigierte die Seminararbeiten seiner Studenten oder schrieb Gutachten für das Tropeninstitut, die Pharmaindustrie und für weiß Gott wen noch alles. »Wenn Sie nur Tote um sich herum haben, dann müssen sie etwas tun, um am Leben zu bleiben«, hatte Dr. Salvisberg ihm einmal gesagt.
    Rosa Mazzoleni erreichte den Gerichtspathologen sofort und stellte ihn durch.
    »Dr. Salvisberg, hier Eschenbach, störe ich?«
    »Sie stören nie, im Gegenteil. Ist ja ein dicker Hund, den Sie mir da ins Eisfach gelegt haben.« Er kicherte heiser.
    »Spielen Sie Golf?«, wollte der Kommissar wissen.
    »Um Gottes willen! Woher die Kraft nehmen, Eschenbach! Ich schneide den ganzen Tag an Leichen herum; und dann der ganze Stress mit diesen Studenten.« Salvisberg seufzte. »Als Dozent werde ich jetzt von meinen Schülern bewertet … stellen Sie sich das vor!«
    Eschenbach musste lachen.
    »Das ist jetzt der neueste Furz von der Direktion«, fuhr er fort. »Die haben die Diarrhö im Hirn, sage ich Ihnen …« Er wetterte über die Bildungspolitik, die schweizerische und die europäische; schimpfte über die Inkompetenz der Universitätsverwaltung. »Dort hat es mehr tote Hirnmasse als bei mir in der Pathologie.« Dann rundete er das Bild ab mit seiner Version von einer grassierenden, globalen Demenz. Und als handelte es sich um den rettenden Strohhalm, fügte er noch hinzu: »Zum Glück habe ich noch die Gutachten. Die zahlen wenigstens ordentlich.«
    »Dann ist ja alles nur halb so schlimm«, witzelte Eschenbach.
    »Was heißt hier schlimm … es ist grauenhaft.« Und nach einer kurzen Pause: »Wie sind wir überhaupt darauf gekommen?«
    »Golf«, entgegnete Eschenbach.
    »Als Stichwort für globale Demenz?« Salvisberg lachte lauthals. »Also, ich gönne mir in meiner Freizeit etwas Besseres.«
    »Was ist denn besser als Golf?«, fragte Eschenbach.
    »Fischen!«
    »Ah, Sie fischen.« Für Eschenbach war alles interessanter als Golf. Aber
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