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Im Sog Des Boesen

Titel: Im Sog Des Boesen
Autoren: John Sandford
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gab sie zu, wäre sie nach Begleichung der Steuer an den Bundesstaat Minnesota Frances’ Erbin.
    »Tja, das leidige Thema Steuern«, stöhnte sie. »Bei Hunters Tod musste Frances sechsundsechzigtausend Dollar an Minnesota zahlen, bevor sie das Erbe antreten konnte. Und nach dem ihren - falls sie tatsächlich tot ist - muss ich wieder
sechzigtausend aus demselben Vermögen zahlen, damit ich von ihr erben darf.«
    Erst jetzt wurde Lucas bewusst, welch teure Kleidung Alyssa trug. Hose und Pullover kosteten um die zweitausend Dollar; dazu kamen bestimmt noch einmal fünfhundert für die Frisur. Sie hatte sich für ihn herausgeputzt.
    Er sagte: »Frauen benutzen oft ein Messer als Tatwaffe. Nicht weil sie das so planen, sondern weil der Mord in der Nähe der Küche geschieht, wo meist Messer herumliegen. Es passiert in einem Augenblick der Leidenschaft, der hitzigen Auseinandersetzung. Du hast dich häufig mit deiner Tochter gestritten; es ging um viel Geld, und es wurde eine deutliche Blutspur hinterlassen. Allerdings fehlen Hinweise auf einen Schuss oder Schlag. Wenn sie also umgebracht wurde, könnte es sehr wohl mit einem Messer geschehen sein. Außerdem hast du ausgesagt, dass möglicherweise ein Messer abgeht.«
    Alyssa nickte. »So weit die Zusammenfassung von Bensons Schlüssen.«
    »Und du bist nicht die Täterin.«
    »Stimmt. Außerdem gelingt es mir nicht, die Ermittlungen in Gang zu setzen, die ich mir vorstelle.«
    Sie wünschte sich viel energischere Nachforschungen, die sie selbst einschlossen, falls die Polizei das für nötig hielt.
    »Wenn Frances umgebracht wurde, hat ein Bekannter sie hierher begleitet - die Alarmanlage war ausgeschaltet. Daraus ergibt sich folgende Frage: Wer war bei ihr? Das muss doch jemand wissen.«
    »Warum bist du nicht absolut sicher, dass ein Messer fehlt?«, erkundigte sich Lucas.
    »Weil ich keinen genauen Überblick über meine Messer habe. Du etwa?«, herrschte sie ihn an und fügte leiser hinzu: »Es war ein kleines Messer mit Holzgriff von Chicago Cutlery, zum Beispiel zum Äpfelschälen, und steckte nicht im
Messerblock. Irgendwann hab ich’s mal in der letzten Schublade in der Küche gesehen. Vielleicht hat Frances es bei ihrem Auszug mitgenommen und es bei einem ihrer weiteren Umzüge in der alten Wohnung gelassen. Auf Wunsch der Beamten habe ich eine Liste der Messer erstellt, und das fragliche konnte ich nirgends finden. Ich weiß aber, dass es irgendwann mal da war.«
    »Mmm.«
    »Was, mmm?«
    »Der Barkeeper in Minneapolis wurde mit einem großen Fleischer- oder Jagdmesser umgebracht«, erklärte Lucas. »Nicht mit einem Apfelschälmesser.«
    »Möglicherweise hat der Mörder ja dazugelernt.« Sie schlug die Hand vor den Mund. »Mein Gott, was sage ich da?« Tränen traten ihr in die Augen, und sie begann zu schluchzen.
    Als sie sich wieder halbwegs beruhigt hatte, sagte Lucas: »Tut mir leid.«
    »Du bist nicht schuld. Das passiert einfach«, erwiderte sie. »Mein Seelenklempner meint, es ist gut, wenn ich meine Emotionen rauslasse. Aber weißt du was? Hinterher fühle ich mich noch beschissener.«
    Wieder brach sie in Tränen aus. Nach ein paar Sekunden wischte sie sich die Augen mit dem Handballen ab.
    »Deine Schminke ist verlaufen«, teilte Lucas ihr mit.
    »Ja, daran hab ich mich schon gewöhnt.«
     
    Alyssa hatte eine Liste mit Freunden von Frances erstellt - sie stand auf, ging zu dem elfenbeinfarbenen Steinway-Flügel, holte ein Notizbuch, zog ein Blatt Papier heraus und reichte es Lucas: Highschool- und College-Freunde, ein paar Goths, insgesamt zehn Namen und Adressen, ordentlich auf cremefarbenem Briefpapier ausgedruckt.
    »Wieso verdächtigst du die Leute aus der Gothic-Szene?
«, fragte Lucas. »Hat einer von ihnen sich auffällig verhalten?«
    Sie setzte sich wieder. »Ich kannte die kaum. Wenn ich kam, gingen sie. Aber ich habe Artikel über sie gelesen; sie verehren die Dunkelheit und sind fasziniert vom Tod … sie sind verrückt.«
    »Also war Frances auch verrückt?«
    »Nein, jung und experimentierfreudig. Genau wie ich als Schülerin. Nur dass meine Experimente anders aussahen als die ihren. Obwohl ich meine Eltern an den Rand des Wahnsinns getrieben habe, wurde eine bestimmte Grenze von mir nie überschritten. Ich hab mir eine Tätowierung um den Nabel machen lassen, Gras geraucht, mit einer Frau geschlafen, mich aber nicht mit weißgesichtigen, berockten Jungs im Friedhof über die Andere Seite unterhalten. Soll heißen, über den
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