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Im Sog der Sinnlichkeit

Im Sog der Sinnlichkeit

Titel: Im Sog der Sinnlichkeit
Autoren: Anne Stuart
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wäre. Es wäre auch nicht ratsam, sich gewaltsam Zutritt verschaffen zu wollen, gegen die Übermacht von zwölf Männern hätte er keine Chance. Wenigstens musste er nicht befürchten, dass die grässlichen Feierlichkeiten bereits begonnen hatten. Wer immer dieser mysteriöse Großmeister auch sein mochte, er würde abwarten, bis alle Mitglieder vollzählig versammelt waren.
    Es war ihm unbegreiflich, wie Menschen tatenlos zusehen und sich auch noch daran ergötzen konnten, wenn ein unschuldiges Kind auf grausamste Weise getötet wurde. Schaudernd erkannte er Elsmeres betrunkenes Lachen und die tadelnde Stimme seiner Gemahlin. Mit diesen Leuten pflegte er zwar keinen näheren Umgang, aber er konnte es nicht fassen, dass dieses Paar sich an solch unbeschreiblichen Gräueln beteiligte. Er hatte die Gerüchte abgetan und lange geglaubt, Melisande würde sich irren. Doch dann hatte er das Blut an Brandons Händen und seiner Kutte gesehen. Nein, dieses Grauen war die nackte Wahrheit.
    Er schien eine halbe Ewigkeit abwarten zu müssen, doch vermutlich waren nicht mehr als zehn Minuten verstrichen, bis der dünne Strom der Gäste versiegt war. Er spähte vorsichtig über den Verschlag, nur der Wächter stand auf seinem Posten.
    Benedick schlich noch einmal in die Nacht hinaus, um sich zu vergewissern, dass sich kein Nachzügler näherte. An der anderen Längsmauer, überwuchert von dichtem Gestrüpp, befand sich ein weiterer Zugang, den der Posten nicht beachtete in der Annahme, die Gäste würden den beschwerlichen Weg durch Dornen und Brennnesseln meiden. Er hatte sich geirrt.
    Am liebsten hätte Benedick dem Satanswächter alle Knochen gebrochen, aber dafür reichte die Zeit nicht. Er musste sich damit begnügen, ihm einen schweren Stein auf den Hinterkopf zu schlagen, worauf der Kerl wie ein gefällter Baum zu Boden ging. Er erkannte das Gesicht – ein pickliger einfältiger Landjunker, der erpicht darauf war, in den vornehmen Kreisen Londons Anerkennung zu finden. Er riss ihm den Strick herunter, der seine Kutte um die Mitte hielt, und stellte voller Abscheu fest, dass der Bursche darunter nackt war. Eigentlich verständlich, in Erwartung einer Orgie. Benedick fesselte ihm die Hände auf den Rücken und die nach hinten abgewinkelten Beine und schleifte das Bündel hinter den Verschlag. Um sicherzugehen, riss er einen breiten Streifen von dessen Kutte ab und stopfte ihm damit das Maul, damit der Kerl nicht um Hilfe schreien konnte. Danach griff Benedick sich die Laterne und ging die in den Fels gehauenen schmalen Stufen nach unten.
    In dem unterirdischen Gang hielt er die Laterne hoch über den Kopf, um sich zu orientieren. Die Versammlung würde seiner Schätzung nach in der großen Halle stattfinden. Er warf sichernde Blicke über die Schulter. Hinter ihm war alles stockfinster, kein Lichtschein, kein Geräusch. Also setzte er seinen Weg fort, so lautlos wie möglich.
    Der Gang öffnete sich in eine Höhle, die er noch nicht kannte. Fackeln an den Felswänden tauchten den unheimlichen Ort in flackernden Schein. Die Felsdecke war niedriger als in der großen Halle, in die Seitenwände hatte man Nischen gehauen, sie waren ausgelegt mit Seidenpolstern für das lüsterne Treiben. Lange Tafeln waren zum Festmahl gedeckt, ein Büffet bot kalten Braten, Brot, Wein und Bier. An der Stirnseite des Gewölbes entdeckte er eine weitere festlich geschmückte Tafel mit einem bizarren Arrangement aus Früchten. Der Tafelaufsatz bestand aus kunstvoll arrangierten Weintrauben auf einem länglichen hellen Gebilde. Und plötzlich stockte ihm der Atem.
    Der Tafelaufsatz, mit Girlanden aus Trauben und Weinlaub behängt, war der nackte Körper einer Frau, ein vertrauter herrlicher Frauenkörper.
    Melisande.
    Mit langen Sätzen eilte er zu ihr, fürchtete beinahe, sie sei …
    Nein, sie lebte. Sie war unversehrt. Arme und Beine waren an dem Tisch festgebunden. Die perversen Kerle hatten ihren nackten Körper auf eine riesige Silberplatte drapiert und die intimen Stellen mit Reben roter Weintrauben geschmückt. In ihren weit aufgerissenen Augen las er eine Mischung aus ohnmächtigem Zorn und innigem Flehen. Erst jetzt sah er, dass man ihr einen Knebel in den Mund geschoben hatte.
    Vielleicht nicht das Schlechteste, dachte er, halb benommen vor Erleichterung, und versuchte, ihre Fesseln zu lösen. Melisande hatte sich jedoch so erbittert dagegen zur Wehr gesetzt, dass die Knoten nicht zu lösen waren. Also schnitt er sie mit dem Messer
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