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Im schoenen Monat Mai

Im schoenen Monat Mai

Titel: Im schoenen Monat Mai
Autoren: Emile de Turckheim
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gesagt hat in den ganzen Jahren, die sie zusammen sind, und jetzt hat sie genug davon. Sacha Milou legt seinem Hund, der genauso Suppe bekommen hat wie alle anderen, die Hand mit den goldenen Ringen auf den Kopf. Und der Herr am Tischende, der seinen ganz kurzen Namen winzigklein in die Liste eingetragen hat, ohne über die Spalte oder über die Zeile hinauszuschreiben, tut nichts Besonderes, aber ich finde es netter, wenn man über jeden eine Kleinigkeit sagt, wo ich doch auch den Hund nicht ausgelassen habe.
    Weil alle Teller leer sind und Martial so hässlich ist, schauen alle mich an. Der Hund bellt, und Sacha Milou sagt, aus, Pistache, aus! Martial wird rot und röter, weil er sonst sogar mitten in der Saison, wenn die Hirnschüssler an nichts anderes denken als an ihre Wildschweine, immer Komplimente für seine Suppe erntet oder wenigstens ein paar zufriedene Grunzer beim Essen, was fast genauso viel wert ist. Pistache bellt noch einmal. Und Sacha Milou sagt: »Könnte ich bitte noch etwas Suppe für meinen Hund haben?«
    Wie ich das höre, kriege ich Angst, weil bei Martial kann das schon mal passieren, dass er sich aufregt. Gott sei Dank mag er Komplimente so, dass er zu lächeln anfängt, wie ihm klar wird, dass er Suppe nachbringen soll, und dann serviert er dem Hund die Suppe, als wenn das genauso gut ist wie ein Mensch, und vielleicht ist es sogar ein bisschen besser, weil so ein Mensch kann Suppe nachnehmen aus Höflichkeit, aber beim Hund ist es auf jeden Fall ein Schrei des Herzens.
    Frau Truchon sagt zu ihrem Mann, ich leg mich ein bisschen hin, mir ist nicht gut, dabei nimmt sie mit allen zwei Händen ihre Brüste, um sie im Mieder zurechtzurücken, und schimpft sie dabei mit den Augen, als wenn es zwei schlimme Kinder sind. Dem Herrn Truchon ist das peinlich als Ehemann, flugs schaut er um den Tisch herum, ob wer geschaut hat, und klar, alle haben geschaut, außer Sacha Milou, der sich eine Zigarette anzündet und dabei ein ganz böses Gesicht macht und den Rauch mit der Hand in alle Richtungen wedelt, als wenn gar nicht er raucht, sondern sein Nachbar. Frau Truchon steht auf und schaut aus, als wenn sie gleich brechen will, ganz grün im Gesicht und mit Schweißperlen auf der Stirn. Dann lässt sie sich auf den Stuhl fallen und sagt, jetzt geht es mir schon viel besser. Sowieso finde ich, dass Frau Truchon ein paar Probleme hat mit den Manieren. Statt dass sie Kleider anzieht, die größer sind oder gleich groß, hat sie immer welche an, die zu klein sind. Aber vielleicht will sie ja sparen, und dagegen kann man nichts sagen, weil Kleinvieh macht auch Mist, und Lucette hat noch eine Menge Sprüche drauf, die der Frau Truchon Recht geben, wenn sie das Geld nicht zum Fenster rausschmeißt.
    Geh schlafen, Martial, ist Zeit! sag ich zu Martial. Und der saust los, die Treppe rauf, ohne Auf Wiedersehen oder Gute Nacht. Die Hirnschüssler ziehen Gesichter und schauen ihm mit verkniffenen Augen hinterher, wie er gebückt hinaufhinkt, als wenn er einen viel zu schweren Pflug hinter sich herzieht und ihm nie wer hilft. Martial hat keine Ahnung. Am Anfang war er misstrauisch, weil sie im Mai gekommen sind, dann hat er sich gedacht, sie wollen nur zur falschen Zeit jagen. Dann, dass sie uns das Haus, den Teich und den Wald wegnehmen wollen. Gestern hätte ich fast zu ihm gesagt, weißt du, dass ich das Testament im Schreibtisch von Monsieur Louis gefunden habe? Dann hab ichs doch nicht gesagt, sondern: Du weißt schon, dass wir hier nicht zu Hause sind, Martial. Bei Martial passiert es manchmal, dass alles, was ihm an Verstand fehlt, plötzlich von ganz innen aus ihm herausbricht, und er sagt, wir sind da zu Hause, wo wir leben und Katze Njama uns liebt. Nur eben nicht in einem Zug, weil er doch so furchtbar stottert, seit ... na, das wisst ihr ja schon. Da sind mir keine anderen Lügen eingefallen, als dass Monsieur Louis die fünf Hirnschüssler schon eingeladen hat, lange bevor er eine Kugel im Leib gehabt hat, und dass es ein Gebot der Gastfreundschaft ist, mindestens Betten und eine Suppe für die Freunde von Monsieur Louis zu machen.
    Ich schlage vor, nebenan im Salon Platz zu nehmen, um sich bekanntzumachen, wie Monsieur Louis gesagt hätte, aber keiner findet die Idee gut, außer Frau Truchon, die lieber ihre zu kleinen Kleider herzeigt, als dass sie schlafen geht. Es ist schon sehr spät, sagen sie, oder es war ein langer Weg oder meine Gattin ist müde oder auch, wenn Pistache nicht vor zehn im
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