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Im schoenen Monat Mai

Im schoenen Monat Mai

Titel: Im schoenen Monat Mai
Autoren: Emile de Turckheim
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Körbchen liegt, hat er morgen den ganzen Tag Migräne. Aber nachdem ich oft genug wiederholt habe, dass es Monsieur Louis’ liebste Gewohnheit war, wenn seine Freunde nach dem Abendessen am Feuer sitzen, gehen sie dann doch alle mit Seufzen und Schulterzucken hinüber in den Salon. Jedes Mal, wenn sich wer in den großen grünen Sessel von Monsieur Louis setzen will, sage ich, nein, nicht da, das ist der Sessel von Monsieur Louis. Und wie sie am Ende alle auf den erlaubten Plätzen sitzen, springt Pistache auf den Sessel von Monsieur Louis, und weil ich glaube, dass Monsieur Louis bei einem Hund nichts gesagt hätte, hab ich auch nichts gesagt, und dann hat sich Pistache vor den ganzen Hirnschüsslern, die ihm seinen Platz neidig waren, zu einer Kugel eingerollt und hat geschlafen wie Blei. Da schau her, jetzt rede ich schon wie Monsieur Louis, der Hund, Kugel und Blei öfter benutzt hat wie alle anderen Wörter zusammen. Ich habe eine Ansprache vorbereitet, aber nicht genug geübt, weil Martial die ganze Zeit an mir geklebt hat wie ein verschwitztes Hemd. Nur einmal hab ich mich bei den Schweinen versteckt und versucht, meine Rede laut aufzusagen. Dabei habe ich mich selber reden gehört wie ein Idiot. Ich habe mir mit der Hand auf den Kopf gehaut und vor den ganzen Schweinen gebrüllt, du bist ein Trottel, Aimé, du bist ekelhaft! Alles an dir ist hässlich! Und dann, ich weiß nicht, warum, aber dann habe ich alles ausgezogen, mein Hemd, sogar die Socken und die Unterhose, und bin mit den Schweinen auf den Hof hinaus, hab mich im Dreck gewälzt und geschrien wie ein Schwein, dass sogar zwei geglaubt haben, ich rede mit ihnen, und mir geantwortet haben. Da hab ich dann so getan, wie wenn ich nichts höre.
    Ich hätte wirklich mehr üben sollen, weil in dem Moment, wo ich anfangen will, hab ich alles vergessen. Also kürze ich die Begrüßungsrede ab, aber an den Hirnschüsslergesichtern kann ich ablesen, dass ich viel zu kurz abkürze, und sogar wenn sie es verstehen, fehlen trotzdem Höflichkeiten und Längen, was bei Ansprachen Pflicht ist. Ich hab mich vor sie hingestellt wegen der Feierlichkeit. Weil nämlich auf dem Begräbnis der kleinen Claude hat Monsieur Louis rumgemeckert, ihm fehlt die Feierlichkeit, dabei war es ein so fröhliches Begräbnis, bei dem überhaupt nichts gefehlt hat, außer der kleinen Claude natürlich. Lucette hat mir dann erklärt, Feierlichkeit ist, wenn man unbedingt zeigen will, dass man einen großen Moment erlebt, auch wenn man dabei ein bisschen schummelt.
    Zuerst habe ich gehustet, weil, ich weiß nicht, ob ihr das schon bemerkt habt, aber vorm Reden wird immer gehustet. »Ich bin Aimé, der Diener von Monsieur Louis, und Sie sind bei diesem allerbewegendsten Empfang heute Abend hier versammelt, weil Monsieur Louis keine Frau und keine Kinder gehabt hat und auch keine Freunde und keinen Respekt vor irgendwem vielleicht vor dem Kater und deswegen hat er Sie zufällig aus seiner Kundenkartei herausgepickt, damit er Ihnen alles vermacht, was eigentlich seine Lieben kriegen sollten, aber, wie schon gesagt, hat er ja keine gehabt.«
    An der Stelle bricht ein so schweigsames Schweigen aus, dass Pistache mit seinem Schnarchen noch am meisten gesagt hat. Der Wachtmeister schaut mich an, als wenn ich nicht grade stehe, dabei bin ich ganz gerade gestanden, wie immer, wenn die Polizei dabei ist. Dem Herrn Truchon klappt der Mund auf, und ich müsste es euch besser aufzeichnen, wie abfällig der Mund von dem Herrn Truchon geschaut hat. Der Mund hat nämlich nicht mehr gemacht, wozu er da ist, nicht geredet, nicht gegessen, ja, nicht einmal mehr zugegangen ist er. Der ist so baff, der Herr Truchon, als wenn er sich gar keine Hoffnung mehr auf das Erbe macht. Frau Truchon schaut den Pistache an und macht auf Dame, die gar nicht zugehört hat, dabei kann man ganz genau sehen, wie das Grün auf ihren Wangen immer grüner wird, je länger das Schweigen dauert. Sacha Milou beißt in seine goldenen Ringe. Und der Letzte, der sich ganz klein in die Liste geschrieben hat, der ist auf eine mehr zurückhaltende Art genauso betreten wie alle anderen. Gott sei Dank hilft uns ein Schrei aus der Verlegenheit. Das war Frau Truchon, weil Martial seinen Kopf zur Salontür hereingestreckt hat. Martial! ruf ich, geh schlafen, Martial, jetzt hast du Frau Truchon erschreckt! Da schlüpft er zurück wie eine Spinne, die man erschlagen will. Der Frau Truchon hat es gefallen, dass ich mich um sie sorge, und da hat
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