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Im schoenen Monat Mai

Im schoenen Monat Mai

Titel: Im schoenen Monat Mai
Autoren: Emile de Turckheim
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getauft, wegen dem Wortspiel. Man sollte sich eh nicht so viel Gedanken machen. Kopf hoch, sag ich zu Martial, wenn die weg sind, wird der Mai wieder ganz ruhig. Martial ist es nämlich nicht mehr gewohnt, dass ihm wer ins Gesicht glotzt. Seit Monsieur Louis nicht mehr da ist, müssen nur mehr wir zwei den Anblick aushalten. Wenn ich so ausschauen würde wie der, ich würde mich in den Brunnen stürzen. Aber nein, er bleibt und hilft mir Betten machen. Nicht dass ihr jetzt glaubt, wir haben extra für die Hirnschüssler das Bettzeug gewaschen! Wir haben es nur umgedreht, damit es sauber aussieht. Von fern wirkt es ganz frisch. Na ja, nicht ganz, ein paar Spuren sind dran. Das soll ordentlich sein? hätte Monsieur Louis gefragt, die Augen voll Tadel und Schnaps, weil Wasser kann er nicht leiden, unser Monsieur Louis mit seiner Pfeife, seinem Schlafrock, seinen Jagdzeitschriften, seinen Füßen ohne Pantoffeln auf dem Kaminsims. Das soll ordentlich sein? Typischer Monsieur-Louis-Satz das. Aber Monsieur Louis ist ja nicht mehr da, um so typische Monsieur-Louis-Sätze zu sagen. Mich persönlich stört schmutziges Bettzeug nicht. Du gehst doch nicht ins Bett, um sauberer herauszukommen, als wie du dich hingelegt hast. Der kleine Dicke muss ganz schön schlucken, wie ich ihm sein Bett zeige. Und wie ich ihm sage, Sie müssen sich die Matratze mit Wachtmeister Lyon-Saëck teilen, hat er sich in die Zunge gebissen. Aua, schreit er, ich habe mich in die Zunge gebissen! Den Polizisten lässt das kalt, dass er im selben Bett schlafen soll wie der kleine Dicke, der in Wirklichkeit gar nicht der kleine Dicke heißt, sondern angeblich Sacha Milou, jedenfalls hat er sich so in die Gästeliste eingetragen, aber das glaubt ihm eh keiner, weil Sacha Milou heißt kein Mensch, außer er ist auf der Flucht vor der Polizei und erfindet Märchen.
    Bis zum Abendessen ist alles gutgegangen, die Hirnschüssler haben in ihren Zimmern im Ersten ein Nickerchen gemacht, und Martial hat nur ein bisschen rumgeschimpft und gestottert, von wegen es ist kein gutes Zeichen, wenn die Hirnschüssler im Mai kommen, weil im Mai kommen die nie zum Jagen, höchstens zum Klauen, und wenn das alles hier wem gehört, das Haus, der Hof, der Teich und die Jagd, dann ja wohl nicht den Hirnschüsslern, sondern uns, weil wir sind schon so lange bei Monsieur Louis, dass wir wie seine Kinder sind. Ich sag, im Leben muss man teilen können, wenn Monsieur Louis dich jetzt hören würde, wäre er gar nicht stolz auf dich, die Art von Sätzen funktioniert bei Martial, da ist dann gleich Schluss mit Schimpfen und Stottern, weil, was ich noch nicht gesagt hab, Martial stottert nämlich ständig seit dem Unfall, von dem wir beide wissen, dass es kein Unfall war, sondern ein Wutanfall von Monsieur Louis, der schlecht ausgegangen ist. Während wir so gestritten haben, haben wir ordentlich Rüben geschält für die Suppe. Soll heißen, Martial tut immer gleich beleidigt, aber eigentlich macht er gern gute Arbeit.

2
    Der Erste, der die Treppe runterkommt, ist Wachtmeister Lyon-Saëck, der eigentlich schon in Pension ist, aber immer noch den Polizeiblick draufhat. Der hat kein Nickerchen gemacht, das sieht man, weil seine Sachen und Haare ganz glatt sind und nach frischgewaschener Wäsche riechen, aber das ist nur so eine Redensart, in Wirklichkeit riechen Polizistenhaare wahrscheinlich wie Haare. Lucette, wenn sie da wäre, würde sie sagen, er hat sich gut gehalten, das heißt, für Liebesdinge ist der zu alt. Er hat sich als Einziger nicht gleich nach der Ankunft in die Gästeliste eingetragen, aber die Geheimnistuerei war für die Katz, weil ich ihn nämlich schon einmal gesehen habe, aber auch wenn ich ihn noch nie gesehen hätte, hat man den Polizisten doch gleich gemerkt an diesem Dich-krieg-ich-auch-noch-Blick. Wenn man den sieht, hält man sich automatisch grade. Vorher, wie er eigentlich dran war, hat er gesagt, ich mach das später, mit meiner eigenen Feder, als wenn ihm unsere nicht gut genug ist. Also sag ich zu ihm, jetzt müssen Sie aber unterschreiben, Herr Wachtmeister, und gebe Martial ein Zeichen, dass er zum Eingang geht und die Liste holt, so kann er nämlich weg und braucht sein Gesicht nicht zeigen, dafür sieht man dann sein scheußliches Hinken, das ist auch von dem Unfall, den wir nicht mehr Unfall nennen wollen, jetzt wo Monsieur Louis nicht mehr da ist und bestimmt auch nicht wiederkommt. Mit einer goldenen Füllfeder, sowas hab ich noch nie gesehen
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