Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schattenreich des Dr. Mubase

Im Schattenreich des Dr. Mubase

Titel: Im Schattenreich des Dr. Mubase
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
den
Rohrpfeifer-See. Tim empfand die Brise als Wohltat, hatte aber ein Sweatshirt
übergestreift, um nicht auszukühlen. Allen TKKG-Mitgliedern saß der Schreck
noch in den Gliedern.
    Seit dem schlimmen Ende des Radrennens
war erst kurze Zeit vergangen. Die Veranstaltung hatte sich aufgelöst. Die
externen Schüler fuhren zur Stadt zurück — ausgenommen Gaby. Die Internatler
waren auf dem Weg zur Heimschule, die bekanntlich im Süden der Großstadt liegt
— in grüner Natur.
    „Habt ihr gehört“, sagte Tim, „was der
Arzt meint? Eugen hat sich vermutlich gedopt.“
    Nur Gaby wußte Bescheid. Karl und
Klößchen hatten nicht mitbekommen, daß der Weißkittel einen Verdacht äußerte.
    Tim wiederholte die Worte.
    „Was?“ rief Karl. „Amphetamin? Um
Himmels willen. Das ist eine Art Rauschgift. Eine Droge. So ähnlich, glaube
ich, wie Pervitin. Nur noch härter. Amphetamin fällt unter das Rauschgiftgesetz.“
    „Jetzt begreife ich wenigstens“, sagte
Tim „wieso Eugen mich abhängte. Die Droge hat ihn vorwärts gepeitscht. Und beinahe
hätte sie ihn das Leben gekostet. Wenn sich einer verausgabt, bis er bewußtlos
vom Rad fällt, bis das Herz nicht mehr schlägt und die Lunge nicht mehr
schnauft — dann schafft er das nicht allein mit dem Willen.“
    „Eugen ist krankhaft ehrgeizig“, nickte
Gaby. „Daß er nicht die Nummer eins wird, läßt ihn vor Kummer kaum schlafen.
Seine Freundin Elke hat’s mir erzählt. Diesmal wollte er dich schlagen. Mit
allen Mitteln — hat er zu Elke gesagt. Ich hab’s nicht erwähnt, weil ich
dachte, es wäre nur eine Redensart.“
    „Eine Droge hat er genommen“, Tim
schüttelte den Kopf. „Aber wie, zum Teufel, kommt er ran an das Zeug?“
    Klößchen hatte den Mund voller
Schokolade, redete aber trotzdem. „Drogen gibt’s doch in der Stadt an jeder
Straßenecke. Erst gestern hat mir ein Dealer Marihuana angeboten. Nein, danke!
habe ich gesagt. Sehe ich vielleicht aus wie ein Süchtiger? Und was antwortet
der blöde Kerl. Siehst aus wie ein Freßsüchtiger. Nimm Drogen. Die machen
schlank.“
    „Schlank wie der Tod“, sagte Karl und
nahm linkshändig seine Nickelbrille ab, um die Gläser am Pullover zu polieren. „Im
übrigen, Tim, ist es nicht gesagt, daß Eugen sich das Amphetamin — nehmen wir
mal an, der Arzt hat recht — gekauft hat. Es läßt sich nämlich ziemlich leicht
herstellen. Dafür genügen die Chemie-Kenntnisse eines Oberschülers. Er braucht
lediglich ein kleines Labor, eine Giftküche. Amphetamin ist eine synthetische
Droge — also eine, die aus einfachen Stoffen künstlich hergestellt wird. Nur
vier oder fünf Chemikalien benötigt man dafür.“
    „Und wo“, fragte Tim, „sollte er die im
Internat zusammenbrauen? Auf dem Klo? In der Großküche? Unmöglich! Außerdem
hatte Eugen in Chemie eine Fünf — mit fallender Tendenz.“
    „Ich muß an seinen Freund denken.“ Gaby
fuhr durch eine ausgetrocknete Pfütze. „Lothar Sickelgrub. Der treibt sich in
der Stadt rum, in Kneipen und anrüchigen Diskos. Dem traue ich zu, daß er
Dealer kennt.“
    Tim nickte. „Lothar hat immer viel
Kohle in der Tasche.“
    „Und fährt ein tolles Auto“, meinte
Klößchen. „Ein japanisches Coupé. Hat ersieh hier gekauft. Im Mai. Gerade als
er 18 war. Wer sagt denn, daß er die Kohle von seinen Eltern hat! Vielleicht
selbst rangeschafft — durch Dealen.“
    „Ich kenne den Wagen“, Gaby fuhr
abermals durch ein Schlagloch und hob sich etwas im Sattel, um das Rütteln zu
mildern. „Es parkt oft in der Freygeyst-Straße. Immer vor demselben Haus. Ich
seh’ den Wagen jedesmal, wenn ich dort vorbeikomme. Weiß nicht, ob Lothar in
dem Haus jemanden kennt.“
    Auf Tims Haut trocknete der Schweiß.
Auf der Zunge schmeckte die Spucke salzig — etwa so wie die Rinderkraftbrühe im
Internat, wenn die Köchin verliebt war.
    Ein Himmelreich für einen Liter
Mineralwasser! dachte Tim. Idiotisch, den ganzen Labsal beim Ziel in
Rohrpfeiferhausen hinzustellen. Kein Aas ist dort angekommen. Doch! Clemens
Meier ist hingezischt. Letzter wäre er geworden. Jetzt war er Erster. Als
Nachrichten-Kurier. Damit die Zeitnehmer nicht bis zur Dunkelheit warteten.
Sonst stehen die dort, die Spannung wächst, der Tag vergeht, und kein einziger
Rennfahrer kommt an. Peter Krabskraus und Detlef Vielesorgen würden ausharren.
Die bestimmt. Sind ja IRC-Funktionäre.
    „Zwar habe ich kein Recht dazu“, sagte
Tim, „aber ich tue es doch, nehme mir einfach das Recht. Ich werde
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher