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Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml
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Gebirgskämpfer auch. In deren Augen ist ein Mann wie Khanzad, der falsche Tschetschene, ein Verräter und ein Feigling.
    »Wie ist Khanzad an das Ei gekommen?«
    »Ich weiß es nicht. Dubinin hat sich darum gekümmert. Ich war...«
    Der General spricht den Satz nicht zu Ende. Ich glaube, das Wort, das ihm auf den Lippen lag, war abgelenkt, aber er ist niemand, der sich einen Fehler eingestehen würde.
    »Hat Khanzad ihn getötet?«, frage ich.
    »Nein. Khanzad hat den Verkauf abgeschlossen, das ist alles. Jemanden zu töten, ist nicht seine Art. Aber er ist ein Schwätzer, wer weiß, wie vielen Leuten er davon erzählt hat.«
    Ich hebe die Augenbrauen, aber der General winkt ab. »Wir haben das Fahrzeug vor weniger als einer Stunde in einem Parkhaus gefunden, nachdem wir einen anonymen Anruf mit einer Adresse bekommen hatten. Zwei Leichen im Kofferraum. Vom Ei keine Spur.«
    »War es nicht vielleicht nur Pech? Zur falschen Zeit am falschen Ort?«
    »Nein.« Seine Iris scheint sich zu verengen wie bei einem Reptil. »Du wirst sehen, was ich meine, wenn du dort bist. Leutnant Golko Kachan wird dich hinbringen.« Er starrt auf das Blinklicht, als würde es ihn bedrohen.
    Ich kenne keinen Leutnant namens Golko Kachan. »Ich würde lieber allein arbeiten.«
    »Du hast keine Wahl. Du wirst Hilfe benötigen, und ich brauche regelmäßige Berichte.«
    »Was ist los, General?«
    Er scheint meine Frage nicht gehört zu haben. Statt zu antworten, heftet er seinen Reptilienblick auf mich. »Ich weiß nicht, wie und warum, jedenfalls noch nicht, aber Dubinin hat eine Tür zu etwas geöffnet, das groß genug ist, um die Aufmerksamkeit des Kreml zu erregen. Diesmal glauben sie mich dranzukriegen, und ich will verdammt sein, wenn ich weiß, warum. Pass auf dich auf, Volk.«
    Soldaten führen mich aus dem Zimmer des Generals auf eine höhere Ebene. Ich ziehe das Lachek-Dossier aus dem Mantel und gebe die Militärkleidung und die Ausrüstung zurück, ehe ich weitere Treppen hinauf zur Krankenstation steige, wo eine Schwester meine Verbrennungen untersucht. Ihre Hände sind weniger sanft als die des Arztes im Hubschrauber. Als sie fertig ist, überreicht sie mir eine Tube mit Salbe. »Tragen Sie die mehrmals am Tag auf. Vielleicht hilft das gegen die Narben.« Sie wirft einen letzten Blick auf meine verbrannte Haut. »Vielleicht auch nicht.«
    Ich hinke wieder hinunter zu einem Schließfach und ziehe dieselben Sachen an, die ich trug, als ich etwas früher am Abend in den Kreml kam. Jeans, T-Shirt, Pullover und ein Schulterhalfter für meine 9-mm-Sig-Sauer. Getrocknetes Blut, Fleischfetzen und ein Büschel Haare kleben am Lauf. Ich wische die Pistole so gut es geht ab, stecke sie ins Halfter und schlüpfe in eine abgenutzte Lederjacke. Dann hole ich das Nokia aus der Tasche und drücke auf den Tasten herum, um zu sehen, ob ich irgendwelche Anrufe verpasst habe. Früher habe ich die Nummer dauernd gewechselt, aber in den letzten sechs Monaten nicht mehr. Das Display zeigt eine Nachricht auf der Mailbox und drei Anrufe von einer unbekannten Nummer an, der erste Anruf ist drei Stunden her. Ich drücke den Code, um die Nachricht abzuhören.
    »Alexei, ich bin’s«, sagt Valja durch ein elektrostatisches Rauschen.
    Der Stahl des Schließfachs fühlt sich kalt auf meiner Hand an, als ich mich daran abstütze. Mit der anderen Hand bohre ich mir das Handy ins Ohr, um jede Silbe mitzubekommen. Es ist das erste Mal seit sechs Monaten, dass ich ihre Stimme höre.
    »Sei vorsichtig ...« Ihre Stimme bricht ab. »Alexei?« Weiteres Knistern. »Abreg tötet Soldaten...«
    Die Nachricht endet. Ich rufe sie noch mal ab und höre dasselbe.
    Ein schwitzender Leutnant mit etwa zehn Kilo Übergewicht kommt in den Ankleideraum und grüßt zackig. Ein Zipfel seines Hemdes hängt vorne raus. Sein Haar ist dunkel, fast schwarz, und dicht, in klebrigen Strähnen reicht es über die Stirn und bildet eine mit Gel gebändigte Welle. Blaue Augen blinzeln über seinen überraschend dunklen Pausbacken, auf der einen Seite hat er ein Grübchen, auf der anderen nicht. Vielleicht stammt er aus dem Süden, aber wer kann das heutzutage noch sagen. Das postsowjetische Moskau ist ein brodelnder ethnischer Eintopf.
    »Leutnant Golko Kachan, Oberst.«
    Er sieht aus, als wolle er noch mehr sagen, aber ich gebe ihm keine Chance. Ich klappe den Kragen meiner lacke hoch und marschiere los in Richtung des Tunnels, der unter dem Tainizkaja-Turm hindurch bis zum
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