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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman
Autoren: Richard Dübell
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Sandale, die mit der abgelatschten Sohle nach oben auf der Wasseroberfläche trieb. Aus irgendeinem Grund war ihr Anblick beklemmender als der des Leichnams, und Barbara biss die Zähne zusammen und drängte die Tränen mit Gewalt zurück.
    Sie bückte sich, um den nassen Kuttenstoff zurückzuschlagen, als sie Rinaldos Stimme vernahm und den kurzen Austausch in italienischer Sprache zwischen ihm und Tiberius hörte. Rinaldos Stimme klang belegt und kratzend; er hatte bei Tiberius’ erfolgreichem Versuch, ihn ins Leben zurückzurufen, jede Menge Wasser erbrochen. Barbara berührte die nasse Kutte und zuckte zurück; plötzlich hatte sie keinen Mut mehr, den Stoff beiseite zu schlagen und in das leblose Gesicht des Mannes zu sehen, den sie draußen bei den Fischerhütten mit dem Messer bedroht hatte … und der ebenso unschuldig wie Gregor und ebenso ein Opfer von Bruder Antonius gewesen war.
    Jemand watete durch das aufspritzende Wasser zu ihr. Barbara richtete sich auf. Die Berührung der nassen Kleider auf ihrer Haut ließ sie plötzlich frieren, und sie erschauerte.
    »Ich bin zu spät gekommen«, sagte sie zu Rinaldo.
    »Tiberius sagt, du hast mich aus die Wasser gezogen.«
    »Du bist mir in die Arme gespült worden. Ich habe nichts dazu getan.«
    Rinaldo zuckte mit den Schultern. »Trotzdem. Grazie mille.« Er verbeugte sich, aber das Lächeln schien fürs Erste aus seiner Miene getilgt zu sein. Er starrte auf das Lumpenbündel hinunter.
    »Wo ist Giorgio?«
    Barbara zuckte mit den Schultern, ein weiterer Schmerz, ein weiteres Leben auf ihrer Seele.
    »Hilf mir«, sagte sie zu Rinaldo. »Wir wollen ihn ins Trockene bringen und ihm wenigstens seine Würde zurückgeben.« Sie reichte Rinaldo die Fackel und bückte sich erneut, um den Toten nach vorn zur Treppe zu schaffen. Rinaldo trat einen Schritt zurück und hielt die Fackel durch die Türöffnung in das Gewölbe dahinter, das sich in einen See verwandelt hatte. Die helle Stimme des Knaben kam von der Treppe her; sie hörten das Poltern, mit dem eine lange Stange gegen die Wände stieß und vernahmen das Aufspritzen des Wassers, als Tiberius zu ihnen herüberkam. »Hilfst du mir jetzt oder nicht?«
    Rinaldo hielt die Fackel nach vorn ausgestreckt und spähte mit zusammengekniffenen Augen in die Dunkelheit. Von der Treppe kamen weitere Stimmen: die Hübschlerinnen, die ihren ersten Schreck überwunden hatten, nachdem sie festgestellt hatten, dass sie noch am Leben waren und das Haus noch stand, und die nun von der Neugier hier heruntergeleitet wurden. Ein paar Männerstimmen erklangen dazwischen und fragten, ob sie etwas helfen könnten; offenbar waren nicht alle Kunden Tiberius’ von der Beschaffenheit des geschockten Prälaten mit dem Hengstschwanz. Weitere Füße spritzten das Wasser auf, als sie herankamen; ihre Geräusche mischten sich in das Platschen und Glucksen und Schwappen, das aus dem Gewölbe drang und das sich beinahe anhörte wie das heftige Schnaufen eines Menschen. Barbara wünschte sich, sie hätte mit dem Toten allein sein können. Aus ihrer gebückten Haltung spähte sie zu Rinaldo.
    Rinaldo drehte sich zu Tiberius um.
    »Gib mir das Seil«, sagte er ruhig.
    Tiberius reichte ihm ein zusammengerolltes Seil, das mehr eine Schmuckkordel aus schimmerndem Seidenstoff war.
    »Nimm lieber die Stange, wenn du einen rausholen willst«, sagte er, »ich glaube nicht, dass ein Toter nach dem Seil greifen kann.«
    »Nein, sicher nicht«, entgegnete Rinaldo und reichte Tiberius die Fackel, packte ein Ende des Seils und warf das andere mit Schwung in die Dunkelheit hinein. »Aber ein Überlebender. Halt dich gut fest, Bruder Ulrico, wir ziehen euch raus!«
    Barbara trat einen Schritt zurück, als die beiden Männer in Sicherheit gebracht waren. Ihre erste Erleichterung wich der Erkenntnis, dass Bruder Ulrich keinen Grund hatte, nachsichtig mit ihr zu sein. Sie musterte ihn, wie er keuchend und triefend auf die Knie kam und sich dann aufrichtete, gestützt auf Tiberius’ und Rinaldos Arme. Die Kutte klebte an seiner massigen Gestalt, und das Fackellicht, das über sein Gesicht zuckte, ließ ihn finster und wütend erscheinen. Giorgio – Jörg – kauerte zu Ulrichs Füßen, hustete und würgte und schüttelte den Kopf. Schließlich schaute er auf und blinzelte sich das Wasser aus den Augen.
    Bruder Ulrich drehte sich unbeholfen zu Rinaldo um und betrachtete ihn von oben bis unten. Rinaldo zuckte mit den Schultern und grinste. Bruder Ulrichs Arme
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