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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman
Autoren: Richard Dübell
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Weib sehen aus, als hätten sie fleischliche Sünde im Kopf, aber wenn sie dir geholfen haben, Sankt Albo zurückzubringen, sind sie gewiss in die Absolution mit eingeschlossen, die der ehrwürdige Vater dir zugesichert hat.«
    Ulrich schob Emmeran beiseite und trat auf Rinaldo zu, der sofort auf die Knie sank und die Hände vor der Brust faltete. Aus dieser Stellung spähte er zu Ulrich hinauf. Jörg und Barbara standen beim Eingang der Herberge und grinsten. Jörg deutete statt einer Begrüßung auf Barbara. »Sie hat die Pferde besorgt«, sagte er. »Und ihr kannst du nicht zürnen, weil sie dir ja immerhin irgendwie das Leben gerettet hat, nicht wahr?«
    »Was habt ihr getan?«, flüsterte Ulrich und wusste nicht, ob er weinen oder vor Wut schreien sollte.
    »Das Richtige«, sagte Rinaldo, immer noch auf den Knien. »Erinnerst du dich an die Bauer mit die Fingerknochen von die heilige Theosophila? Beim Fähranleger, am ersten Morgen? Ich dachte plötzlich an ihn, als ich dich davonreiten sah, und wusste, was ich zu tun hatte.«
    »Er übertreibt«, sagte Jörg. »Tatsächlich war es meine Idee. Mir fiel plötzlich ein, dass die Reliquienhändler in der Stadt sich gegenseitig ihre Stücke abkauften, weil sogar sie hofften, die wirklichen Schätze von ihresgleichen zu ergattern …«
    »Jörg versucht mich zu schützen«, unterbrach Barbara. »Ich erinnerte mich, wie fest Gregor daran glaubte, dass die Reliquien, mit denen er handelte, den Menschen Glück und Festigkeit im Glauben schenken würden, selbst wenn er wusste, woher sie stammten …«
    Ulrich starrte die drei abwechselnd an. Er schwitzte unter seiner Kutte.
    »Wovon reden deine Knechte eigentlich?«, fragte Emmeran und verknotete befremdet seine Augenbrauen.
    Ulrich fuhr herum und schnaubte. Emmeran riss die Augen auf.
    »Wo ist Remigius?«, zischte Ulrich.
    Der Prior saß unter einem Obstbaum im Schatten und hatte Ulrich den Rücken zugewandt. Offenbar hatte er die Gärtner weggeschickt. In seiner Nähe stand ein mittendurch geschnittenes Fass, in dem Brunnenwasser stand und das Abendlicht glitzernd reflektierte; Lappen und Rechen und kleine Eimerchen zur Bewässerung der Pflanzen standen und lagen darum herum. Ulrich blieb ein paar Schritt vor Remigius stehen und räusperte sich. Jenseits der Mauer flimmerten die Felder, die zum Kloster gehörten, und hinter ihnen das pastellfarben schimmernde, breite Band des Flusses. Ein einzelnes Boot schwebte darüber hinweg wie eine Seele auf ihrem Weg in die Ewigkeit.
    Remigius sah über die Schulter zu Ulrich auf und nickte ihm schweigend zu. Nach kurzem Zögern stand er auf und reckte sich. Er zerrte die Kutte vorn aus dem Strick und stopfte sie wieder zurück.
    »Nächst Gott dem Herrn und danach sei mir willkommen, Bruder Ulrich«, sagte er und verbeugte sich.
    »Ehrwürdiger Vater …«
    »Pssst«, machte Remigius und schüttelte den Kopf. Er winkte ihn zu sich heran. Als Ulrich neben ihn trat, hängte Remigius sich bei ihm ein, als wäre er hinfällig, und führte ihn zu dem Wasserfass. Beide Männer sahen hinein. Die dunkle Oberfläche spiegelte ihre Gesichter und ließ sie in den leichten Wellen und Ringen, die der Wind erzeugte, zittern und tanzen. Der kühle Duft des Wassers machte Ulrich schwindlig. Remigius krempelte einen Ärmel auf und streckte einen Arm ins Wasser. Die Spiegelbilder zerstoben; er nahm den Arm wieder heraus und beobachtete, wie die Tropfen von seinen Fingern rannen und die Wasseroberfläche aufrauten. Schließlich beruhigte das Wasser sich wieder, und ihre Spiegelbilder erschienen aufs Neue.
    »Was für ein flüchtiges Element«, sagte Remigius. »Die Hände des Menschen können es nicht festhalten. Und dennoch ist es in der Lage, unsere Gestalten, die Gott nach seinem Ebenbild geformt hat, besser wiederzugeben als der begnadetste Künstler.« Er tauchte eine Hand ein und schöpfte Wasser heraus. Es zerrann ihm zwischen den Fingern.
    »Ehrwürdiger …«
    »Aber wo sind diese Ebenbilder? Ein Windhauch kann sie zerstören. Sie gehen nicht in die Tiefe. Sie sind nur an der Oberfläche. Dahinter ist nichts. Wir glauben, da ist etwas, nur weil unsere Augen uns dies mitteilen.«
    »Ehrwürdiger Vater, Sankt Albo …«
    Remigius bückte sich und spähte aus einem anderen Blickwinkel in das Fass. »Wenn ich von hier aus hinsehe, erblicke ich sogar nur noch die Spiegelbilder. Das Wasser ist überhaupt nicht zu sehen. Hast du dich schon einmal gefragt, was von beiden eigentlich wirklich zu
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