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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne
Autoren: Catherine Coulter
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Seelen verdoppelt. Neben den Lagerhäusern der Wikinger standen christliche Kirchen; und die Wikinger begruben ihre Toten neben den Friedhöfen der Christen. Heutzutage sah man auch viele dunkelhaarige Wikinger, da Normannen sich angelsächsische Frauen nahmen und sich in großer Zahl vermehrten. Es herrschte beinahe überall Frieden, doch das konnte sich jederzeit ändern. Nach jedem Raubüberfall der Wikinger in König Alfreds Wessex konnte es einen Vergeltungsschlag geben, auch hier in York.
    Für Magnus war das Leben nie langweilig, da es kaum vorhersehbar war. Magnus fand Gefallen an dieser Unvorhersehbarkeit. Nun dachte er an Zarabeth, an ihre weichen Oberarme, die sanfte Linie ihrer Wangen. Unvorhersehbarkeit konnte aber Gefahr für sie bedeuten, und dieser Gedanke behagte ihm keineswegs. Doch er war stark und flink und schlau. Er würde sie beschützen, er würde für ihre Sicherheit sorgen, woher die Bedrohung auch kam, von Menschen oder Elementen. Er zweifeite nicht daran, daß sie am Morgen zum vereinbarten Treffpunkt kommen würde. Er hatte gesehen, daß sie nach anfänglicher Verblüffung Gefallen an ihm fand. Die meisten Frauen fanden Gefallen an ihm. Er kannte dieses scheue, selige Lächeln und den weichen Gesichtausdruck. Sie würde kommen, und sie würde ihm zu Willen sein, dessen war er sicher.
    Es war früh, und Zarabeth war vor Magnus am Brunnen. Sie fror, denn der Aprilmorgen war feucht und kühl. Wind kam auf und kündigte einen Sturm an. Sie war in einen braunen Wollumhang gehüllt, der von einer fein gehämmerten Bronzebrosche an der linken Schulter gehalten wurde. Ihr geflochtenes, hochgestecktes Haar war unter einer Kapuze bedeckt.
    Als sie Magnus gewahrte, der sich in langen Schritten näherte, als gehöre ihm der Platz und sie dazu, wurden ihr die Knie weich. Bei ihrem Anblick trat Anerkennung in seine entschlossene Miene. Sie stellte zufrieden fest, daß ihm ihr Aussehen gefiel.
    Zarabeth fühlte sich seltsam in der Schwebe, als er sich näherte, seine Schritte verlangsamend, als wolle er sich genügend Zeit lassen, um sie sich anzusehen.
    Er trat sehr nahe an sie heran, faßte ihr unters Kinn und zwang sie, hochzusehen. Er küßte sie vor allen Leuten mitten auf den Mund.
    Zarabeth war zuvor schon geküßt worden, flüchtige kleine Berührungen, doch nicht wie jetzt. Und dann sagte er dicht an ihrem Mund, sein Atem duftete warm und süß nach Honigmet: »Öffne deinen Mund für mich. Ich möchte dich kosten.«
    Sie gehorchte, ohne zu zögern. Er schloß sie in die Arme und hob sie hoch, seine Hände faßten sie fest um die Mitte. Und er hörte nicht auf, sie zu küssen. Seine Zunge drang tief fordernd ein, dann folgten kleine, nagende Bisse und zärtliches Lecken, und sie ging darauf ein. Sie konnte gar nicht anders, und als sie antwortete, ließ er von ihr ab und hob den Kopf. Er lächelte auf sie herab, dieses triumphierende Lächeln, das sie zum Lachen brachte.
    »Siehst du, was für ein gutes Gefühl ich dir gebe?«
    »Das war nur ein Kuß, mehr nicht. Ich könnte auf den Kuß eines jeden Mannes so ansprechen.«
    Er küßte sie wieder und danach noch einige Male, jeder Kuß fordernder als der vorangegangene. Er hörte nicht auf, bis ihre Lippen und ihre Zunge ihm antworteten. Als er sie diesmal losließ, strahlte sein Gesicht vor Freude, und sie wünschte, er würde sie noch einmal küssen. Sie spürte seine starken Hände, die ihren Rücken hinauf und hinunter wanderten; warme, große Hände, die ihr Freude bereiten, Hände, die sie beschützen würden.
    »Guten Morgen, Zarabeth«, sagte er endlich. »Du hast auf mich gewartet. Das gefällt mir. Du schmeckst süß und dein Mund ist weich. In Zukunft wirst du mir deinen Mund öffnen, ohne daß ich dich dazu auffordern muß.«
    Sie nickte, die Worte blieben ihr in der Kehle stecken.
    Er beugte sich über sie und küßte sie zart auf die Nasenspitze. Er lächelte. Jetzt war er sich ihrer vollkommen sicher. »Hast du mit deinem Stiefvater gesprochen?«
    Die närrische Berauschtheit wich, und sie stand wieder am Brunnen mit einem Mann, der ihr bis gestern völlig fremd war. Sie schüttelte den Kopf. »Er fragte, ob etwas mit mir nicht in Ordnung sei«, antwortete sie und blickte die Hauptstraße von York entlang.
    »Warum?«
    »Er fand mich verändert. Ich war vielleicht etwas zerstreut.«
    »Kein Wunder«, sagte er, und seine Überheblichkeit belustigte sie. »Warum hast du nicht von mir gesprochen?«
    »Das habe ich getan. Aber nicht,
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