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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman
Autoren: Tanja Kinkel
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nennen könnte, drehte sich um und ließ mich mit der Asche der Briefe und der Toten in der Erde unter uns in der Nacht zurück.

SIEBTES ZWISCHENSPIEL
    M it dem Brief aus Abingdon in ihrer Hand bat Elizabeth mich, den Boten zu entlohnen und in ihrem Namen zu danken. Ihre Stimme war sehr gepresst, und das war bei ihr eigentlich immer ein warnendes Zeichen, genauso wie der Umstand, dass sie ihren Sekretär und die beiden Hofdamen, die sich im Raum befanden, fortschickte, als ich hinausging, um ihrem Wunsch nachzukommen. Sie haben ihn schuldig gesprochen, dachte ich, gewiss haben sie Robin Dudley schuldig gesprochen. Gott helfe uns. Habe ich deswegen noch nichts von Frobisher gehört?
    Der Bote hatte nur gesagt, dass sein Brief direkt vom Bürgermeister an die Königin gerichtet war, und ansonsten so eingeschüchtert ob der Ehre gewirkt, bei Hofe zu sein, dass er kaum den Mund aufbekam. Es kostete mich die Übung von Jahrzehnten in Selbstbeherrschung, ihn nicht umgehend zu fragen, was er über das Urteil wusste, sondern ihm erst seine Belohnung zu geben und ein paar freundliche Worte zu finden.
    »Gott befohlen, Mistress Ashley«, sagte er und hielt seinen Hut treuherzig in der Hand, »das weiß ich nicht. Der Herr Bürgermeister hat mir nur den Brief in die Hand gedrückt und mir gesagt, ich müsse so schnell wie möglich nach Windsor reiten.« Er schaute sich großäugig um. »Stimmt es, dass hier der Geist des alten König Henry umgeht?«
    Mir schwante, dass der Bürgermeister absichtlich einen Tölpel ausgewählt haben musste, der nicht neugierig genug war, um einen so wichtigen Brief zu öffnen oder an jemand anderen zu verhökern.
    Als ich endlich wieder vor dem Arbeitszimmer meines Mädchens stand, fand ich die Tür verschlossen. Das erweckte in mir die schlimmsten Befürchtungen. »Euer Gnaden«, rief ich. »Euer Gnaden, öffnet mir.«
    Nichts rührte sich.
    »Bess«, sagte ich mit gesenkter Stimme und hoffte, dass sie nicht nur durch die Tür dringen würde.
    Endlich hörte ich Schritte; sie schob den Riegel zurück, zog mich hastig hinein und schloss sofort wieder hinter mir ab. Als ich sie sah, begriff ich sofort, warum sie sich zurückgezogen hatte.
    Mein Mädchen hat nichts dagegen, wenn der Hofstaat gelegentlich Zeuge ihres Zornes wird. »Es sorgt dafür, dass niemand sich seiner Haut zu sicher fühlt oder auf die Idee kommt, mich als schwaches Weib einzuschätzen«, sagte sie einmal zu mir. Aber niemals, unter keinen Umständen, hätte sie sich so von ihren Hofleuten sehen lassen, wie ich sie jetzt sah.
    Tränen liefen über Elizabeths Gesicht. Das Rot auf ihren Lippen war verschmiert, und an ihren Händen sah ich die entsprechenden Spuren; sie musste sich mehrfach die Handfläche auf den Mund gepresst haben, um keinen Laut von sich zu geben, den man im Vorzimmer hören konnte.
    »Kat«, keuchte sie, »Kat.« Sie stürzte vor mir auf die Knie.
    Ich kniete mich neben sie und dachte verzweifelt, dass die nächsten Wochen für sie die Hölle sein würden. Tröstend legte ich meine Arme um ihre Schultern.
    »Sie haben«, stieß sie hervor und presste mich so heftig an sich, dass mir die Rippen weh taten, »auf Tod durch Unfall erkannt.«
    »Aber …«
    »Verstehst du nicht, Kat? Das bedeutet, dass ich es nie werde tun müssen! Er wird leben, wir werden zu meinen Bedingungen zusammen sein, und …« Ihre Stimme verebbte. Sie richtete sich auf, zog mich mit sich in die Höhe und wirbelte mich einmal im Kreis. Dabei quollen ihr weiter Tränen aus den Augen, aber an ihrem offenen Mund sah ich, dass sie nicht nur weinte, sondern auch lachte. »Ich muss es nicht tun!«
    »Was?«, fragte ich nun vollends verwirrt, zu sehr, um über das Urteil aus Abingdon erleichtert oder bekümmert zu sein.
    Mein Mädchen ließ mich los und rang um Atem. »Kat«, sagte sie dann, mit mühsam beherrschter Stimme, »weißt du, wer ich in diesem Land bin?«
    »Die Königin«, entgegnete ich und verstand immer noch nicht, worauf sie hinauswollte.
    »Natürlich, aber denk daran, was es bedeutet«, gab sie zurück. »Ich bin die letzte Instanz aller Gerichtsbarkeit, die letzte Quelle der Gnade, wenn alle anderen versiegen. Wenn man Robin des Mordes an seiner Gattin für schuldig befunden hätte, was glaubst du wohl, was dann als Nächstes geschehen wäre?«
    Sie schaute auf den Ring an ihrer rechten Hand, den Krönungsring mit dem verborgenen Porträt ihrer Mutter, jener Mutter, deren Namen sie nie in den Mund nahm.
    »Glaubst du, sie
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