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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman
Autoren: Tanja Kinkel
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alles, was ich laut ausdrücken konnte. »Vielleicht erinnert Ihr Euch«, sagte ich. »Als wir Kinder waren, da erschreckte man uns mit Geschichten über Gottesurteile. Glühende Eisen, über die Menschen laufen mussten, fließende Wasser, in die sie geworfen wurden, und dergleichen mehr. Prüfungen, die die Wahrheit ans Licht bringen sollten.«
    »Ich erinnere mich. Ihr wart tatsächlich so dumm, beim nächsten Hufschmied ein glühendes Eisen anzufassen. Die Narbe müsst Ihr jetzt noch haben. Erzählt mir nicht, dass Ihr immer noch nicht klüger geworden seid«, gab sie zurück, und ich konnte ihr Lächeln mehr hören als sehen. »Ich wusste zwar damals schon, dass Ihr ein hoffnungsloser Fall seid, aber für so vernünftig, als Mann in unserem Alter keine Gottesurteile mehr zu versuchen, hätte ich Euch doch gehalten.«
    »Das beweist eben, dass Ihr mich doch nicht so gut kennt, wie Ihr glaubt«, sagte ich friedfertig und unterließ weitere Erklärungsversuche.
    Ich hatte meine Entscheidung nicht getroffen, um Amy eine letzte Genugtuung zu verschaffen. Es ging mir um die Zukunft, und nicht nur um meine.
    Ich hatte es so gemeint, als ich zu Edith sagte, es wäre sehr einfach gewesen, zwei Siebzehnjährigen damals einfach nicht ihren Kopf zu lassen, ihre Ehe und damit alles folgende Unglück zu verhindern.
    Es gibt Fehler, die man nicht zweimal begeht, und es gibt Dinge, die sich nur durch Prüfung und Leid erweisen. Ob mein Vetter Robin nun nach der Krone strebte oder nach der Frau, die sie trug, war eine solche Prüfung. Wenn er in ein oder zwei Jahren voller Verdächtigungen, höfischer Feindseligkeiten und ohne die Belohnung eines Königstitels seinen Wunsch nach beidem verlor, dann würde es gut sein, dass er keines von beiden je erhalten hatte. Wenn nicht, dann waren Jahre voller Prüfungen immer noch besser als das sofortige Geschenk uneingeschränkter Macht.
    Was mich selbst betraf, so galt für mich Ähnliches. Dies war meine letzte Gelegenheit, tatsächlich nach Kidderminster zurückzukehren, statt es immer nur als vagen Vorsatz für die Zukunft im Mund zu führen und ansonsten an Robins Seite die Jagd nach der Macht zu teilen und dabei mit anderen Hunden wie Anthony Forster um jeden Bissen zu streiten. Mir schauderte bei dem Gedanken, dass ich ihm ähnlicher sein musste, als ich mir eingestehen wollte.
    Vielleicht würde ich meinen Sitz im Parlament verlieren, wenn Robin in Ungnade fiel, vielleicht auch nicht, aber das Parlament wurde ohnehin höchst selten zusammengerufen; es machte meine ständige Anwesenheit in London oder gar bei Hofe nicht notwendig.
    Wenn ich jetzt nicht zu Margery und meinen Söhnen zurückkehrte, dann würde ich es nie tun. Und ich würde es nie tun, wenn Robin der unbestritten mächtigste Mann im Reich wurde. Ich kannte mich.
    »Ich weiß, dass Ihr mir sehr geholfen habt, um die Wahrheit ans Licht zu bringen«, sagte ich zu Edith, »doch …«
    »Tom Blount«, sagte sie, schneidend wie eh und je, »wenn Ihr immer noch denkt, dass dies der einzige Grund war, warum ich Euch geholfen habe, dann seid Ihr mit den Jahren noch dümmer geworden.« Sie seufzte. »Aber bitte, wenn man es Euch denn ausbuchstabieren muss: Ich hatte als junges Mädchen gelegentliche Anflüge geistiger Verwirrung, in denen ich in Euch vernarrt war.«
    Diesmal brachte ich noch nicht einmal ein »Was?« heraus. Auch wenn Weiber aus Glas wären, sie würden für mich doch immer undurchsichtig bleiben.
    »Oh, Ihr braucht kein so erschrecktes Gesicht zu machen«, sagte sie schmunzelnd. »Es lag wohl daran, dass mir ständig gesagt wurde, wir würden eines Tages heiraten, und ich versuchte, mich in den Gedanken einzufinden. Vielleicht auch daran, dass Ihr halbwegs erträglich ausgesehen habt, nachdem Euch der erste Flaum am Kinn wuchs und Eure Stimme nicht mehr ständig in die Höhen und Tiefen ging wie bei einem schottischen Pfeifer. Es hat auch nicht lang angehalten, und glaubt mir, ich danke heute noch Gott dafür, dass meine Eltern es sich anders überlegt hatten, denn mein Seliger passte unendlich viel besser zu mir und wäre im Übrigen nie auf die Idee gekommen, mich mit der Gattin seines Vetters zu betrügen. Arme Margery. Aber wir werden allmählich alt, Tom, und da hat man manchmal rührselige Anwandlungen und denkt an die Jugend zurück.«
    Mit diesem neuerlichen Beweis dafür, dass mir die Gedankengänge einer Frau stets fremd bleiben werden, gab sie mir einen Klaps auf die Wange, den man ein Tätscheln
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