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Im Schatten der Akazie

Im Schatten der Akazie

Titel: Im Schatten der Akazie
Autoren: Christian Jacq
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Kummer zu vergessen, wollte der König wie üblich arbeiten, obwohl er wußte, daß es ihm an der gewohnten Tatkraft mangeln würde.
    Aber seine Beine waren wie gelähmt, und er konnte sich nicht erheben. Mit gebieterischer Stimme rief er seinen Haushofmeister.
    Kurze Zeit später erschien Neferet am Bett des Herrschers.
    »Diesmal, Majestät, wirst du auf mich hören und mir gehorchen müssen.«
    »Du verlangst zuviel von mir, Neferet.«
    »Falls du es noch immer bezweifelst, Majestät, deine Jugend ist endgültig entschwunden, und du mußt dein Verhalten ändern.«
    »Du bist der furchterregendste Gegner, mit dem ich es je zu tun gehabt habe.«
    »Nicht ich, Majestät, sondern das Alter.«
    »Wie lautet dein Befund? Und verschweige mir ja nichts!«
    »Ab morgen kannst du wieder gehen, aber du mußt einen Stock benutzen, und du wirst ein wenig hinken, wegen der Entzündung in deinem rechten Hüftgelenk. Ich werde mir Mühe geben, den Schmerz zu lindern, aber du brauchst unbedingt Ruhe und wirst künftig mit deinen Kräften sparsamer umgehen müssen. Wundere dich nicht, wenn du dir zuweilen steif vorkommst und das Gefühl hast, gelähmt zu sein. Das ist nur vorübergehend, falls du es hinnimmst, dich mehrmals am Tag massieren zu lassen. In manchen Nächten wird es dir Schwierigkeiten bereiten, dich in voller Länge 415

    auszustrecken. Beruhigende Salben werden dir helfen. Und häufige Bäder mit Schlamm aus dem Fayum werden die Behandlung mit Arzneien ergänzen.«
    »Arzneien …! Jeden Tag? Du hältst mich also für einen gebrechlichen Greis!«
    »Ich habe es dir bereits gesagt, Majestät, du bist kein junger Mann mehr, und du wirst auch deinen Wagen nicht mehr selbst lenken. Aber wenn du ein fügsamer Patient wirst, kannst du eine rasche Verschlechterung deines Gesundheitszustandes vermeiden. Tägliche Übungen wie Gehen oder Schwimmen, vorausgesetzt, daß du nicht übertreibst, werden dir die Beweglichkeit bewahren. Für einen Mann, der sein Leben lang vergessen hat, sich etwas Ruhe zu gönnen, ist dein Gesamtzustand recht zufriedenstellend.«
    Neferets Lächeln tröstete Ramses. Keinem Feind war es gelungen, ihn zu besiegen, bis auf dieses verdammte Alter, über das schon der weise Ptah-hotep klagte, den Nefertari lieber gelesen hatte als irgendeinen anderen. Aber er war bereits hundertzehn Jahre alt, als er seine Lehren verfaßte!
    Verdammtes Alter, dessen einziger Vorteil darin bestand, daß es ihn den geliebten Menschen näher brachte, die er in den fruchtbaren Gefilden der anderen Welt, in der es keine Müdigkeit gab, so gern wieder treffen wollte.
    »Dein schwächster Punkt«, fügte die Oberste Heilkundige hinzu, »das sind deine Zähne, aber ich werde über sie wachen, um jede Gefahr einer Entzündung zu vermeiden.«
    Ramses beugte sich Neferets Forderungen. Innerhalb einiger Wochen hatte er einen Teil seiner Kräfte wiedererlangt, aber auch begriffen, daß sein von zu vielen Kämpfen und Prüfungen verbrauchter Körper nur noch ein alt gewordenes Werkzeug darstellte, nahe daran, zu zerbrechen.
    Das hinzunehmen war sein letzter Sieg.
    In der Stille und Dunkelheit des Seth-Tempels, angesichts der 416

    grauenerregenden Macht des Alls, traf Ramses der Große seine allerletzte Entscheidung.
    Ehe er sie in Form eines Erlasses mit Gesetzeskraft öffentlich kundtat, rief der Herr der Beiden Länder den Wesir, die Vorsteher der höchsten Ämter und alle Obersten und Ersten, die Verantwortung trugen, in den Palast, alle außer seinem Sohn Merenptah, dem er den Auftrag erteilt hatte, eine Übersicht über die Erträge der Felder und Weiden im Delta zusammenzustellen.
    Lange unterhielt sich der König mit den Männern und Frauen, die Tag für Tag weiter an der Zukunft Ägyptens bauten. Bei diesen Gesprächen wurde Ramses von Ameni unterstützt, dessen zahlreiche Aufzeichnungen sich als wertvoll erwiesen.
    »Du hast nicht viele Fehler gemacht«, sagte er zu seinem Obersten Schreiber.
    »Hast du auch nur einen einzigen entdeckt, Majestät? Dann zeige ihn mir auf!«
    »Das war eine Redensart, mit der ich dir meine Zufriedenheit bekunden wollte.«
    »Nehmen wir es einmal an«, brummte Ameni. »Aber weshalb hast du deinen Oberbefehlshaber mit einer so ausgefallenen Mission betraut?«
    »Willst du mir etwa einreden, daß du das noch nicht erraten hast?«
    Auf seinen Stock gestützt, schritt Ramses in Begleitung von Merenptah langsam durch eine schattige Allee.
    »Welche Ergebnisse haben deine Untersuchungen erbracht,
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