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Im Schatten der Akazie

Im Schatten der Akazie

Titel: Im Schatten der Akazie
Autoren: Christian Jacq
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pflanzen?«
    »Der Mann wird nie wissen, was er dir verdankt, Majestät.«
    »Zuweilen war ich ja selbst versucht, wie er unter einem Baum einzuschlafen und die Last meines Amtes zu vergessen.«
    Nicht mehr weit von der Anlegestelle entfernt, befahl Ramses den Sänftenträgern, ihn abzusetzen.
    »Majestät«, fragte Bakhen besorgt, »weshalb möchtest du zu Fuß gehen?«
    »Sieh dir diese kleine Kapelle da drüben an … Sie ist zerfallen.«
    Das bescheidene Heiligtum der Erntegöttin, einer weiblichen Kobra, hatte unter der Zeit und der Gleichgültigkeit gelitten; zwischen den Steinen wuchs Unkraut.
    »Das ist ein echtes Vergehen«, befand Ramses. »Laß diese Kapelle wieder instand setzen und vergrößern, Bakhen, und statte sie mit einer Tür aus. Die Bildhauer von Karnak mögen eine Statue der Göttin anfertigen, die dann hier wohnen soll.
    Sie gehört zu den Gottheiten, die Ägypten erschaffen haben, vernachlässigen wir sie nicht, auch wenn sie noch so bescheiden sind.«
    Der Herr der Beiden Länder und der Oberpriester des Amun legten zu Ehren des Kas der Göttin am Fuße des Heiligtums Feldblumen nieder, während hoch oben am Himmel ein Falke schwebend seine Kreise zog.
    412

    NEUNUNDFÜNFZIG
    UF DEM RÜCKWEG IN die Hauptstadt hielt Ramses in M
    A emphis an, um sich mit seinem Sohn Kha zu unterhalten, der die Instandsetzung der Bauwerke aus dem Alten Reich abgeschlossen und den unterirdischen Tempel der Apis-Stiere noch weiter ausgeschmückt hatte.
    An der Anlegestelle wurde der König jedoch von der Obersten Heilkundigen, Neferet, empfangen, die immer noch so schön und elegant wie eh und je war.
    »Wie geht es dir, Majestät?«
    »Ich bin ein bißchen müde, der Rücken plagt mich, aber der Leib ist noch recht standhaft. Du siehst verstört aus, Neferet.«
    »Kha ist sehr krank.«
    »Du willst doch nicht sagen …?«
    »Eine Krankheit, die ich kenne, aber nicht heilen kann. Das Herz deines Sohnes ist abgenutzt, die Arzneien wirken nicht mehr.«
    »Wo befindet er sich?«
    »In der Bibliothek des Tempels, inmitten der Schriften, die er so oft gelesen und erforscht hat.«
    Der König begab sich unverzüglich zu Kha.
    Das kantige und strenge Gesicht des Oberpriesters, der nahezu sechzig Jahre alt war, hatte heitere Züge angenommen.
    Aus seinen dunkelblauen Augen strahlte der innere Frieden eines Menschen, der sich sein Leben lang darauf vorbereitet hatte, dem Jenseits zu begegnen. Keinerlei Furcht entstellte seine Züge.
    »Majestät! Ich hoffte so sehr, dich noch einmal zu sehen, ehe ich meine Reise antrete …«
    413

    Ramses ergriff die Hand seines Sohnes.
    »Der Pharao möge seinem ergebenen Diener gestatten, wie ein seinem Herrn nützlicher Freund im Berg des Lebens zu ruhen, denn es gibt kein größeres Glück … Gestatte mir, den schönen Westen zu erreichen und dir nahe zu bleiben. Ich habe versucht, die Maat zu achten, ich habe deine Befehle ausgeführt und die Aufgaben erfüllt, mit denen du mich betraut hast …«
    Khas tiefe Stimme verebbte sacht, und Ramses nahm sie in sich auf wie einen unvergänglichen Schatz.

    Kha war im unterirdischen Tempel der Apis-Stiere beigesetzt worden, neben diesen edlen Geschöpfen, deren tierische Gestalt ihre göttliche Macht verbarg. Ramses hatte auf das Antlitz der Mumie eine Maske aus Gold gelegt und selbst die Grabbeigaben ausgewählt: Möbel, Gefäße und Schmuck, von den Künstlern des Ptah-Tempels geschaffene Meisterwerke, die dazu bestimmt waren, Khas Seele auf den schönen Pfaden der Ewigkeit zu begleiten.
    Der greise König hatte die Bestattungszeremonie mit erstaunlicher Kraft geleitet und seine Ergriffenheit bezwungen, um Augen und Mund seines Sohnes zu öffnen, auf daß er lebend in die andere Welt eintrete.
    Merenptah hielt sich ständig bereit, um seinem Vater zu Hilfe zu eilen, doch Ramses ließ keinerlei Schwäche erkennen.
    Dennoch spürte Ameni, daß sein Freund seit Kindertagen die Kraft, die er brauchte, um dem neuen Schicksalsschlag mit beispielhafter Würde standzuhalten, aus seinem tiefsten Inneren schöpfen mußte.
    Der Deckel wurde auf Khas Sarkophag gelegt und der Eingang in das Grab versiegelt.
    Erst als er sich außer Sichtweite der Höflinge wußte, weinte Ramses.
    414

    Es war einer dieser warmen und sonnigen Vormittage, wie Ramses sie liebte. Er hatte es einem Oberpriester überlassen, statt seiner die Morgenriten abzuhalten, und würde erst gegen Ende des Vormittags eine Unterredung mit dem Wesir haben.
    In der Hoffnung, seinen
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