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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten
Autoren: Linda Fairstein
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Wolke am Himmel.
    Wo konnte ich mich in Sicherheit bringen? Vor lauter Angst, eine Fledermaus könne sich in meinen Haaren verfangen, schlug ich wie wild um mich. Womöglich gab es auch ein paar tollwütige Tiere darunter!
    Dann überkam mich eine noch schlimmere Angst. Den Polizisten, die den Park absuchten, würde ein Schwarm Fledermäuse nicht weiter auffallen. Sinclair Phelps jedoch kannte ihr Gepflogenheiten. Er wüsste, dass ich sie aufgeschreckt hatte, und natürlich wusste er, wo sich die Fledermaushöhle auf dem Gelände befand.
    Auf halber Strecke den Abhang hinunter sah ich, wie unten auf der Straße ein Kleinbus mit ausgeschalteten Scheinwerfern stehen blieb. Ich kehrte um und rannte wieder nach oben. Als ich gerade auf den kleinsten Felsen kletterte, hörte ich es hinter mir im Gestrüpp rascheln und keuchen.
    Zwei Schäferhunde versuchten mir mit wütendem Gebell auf die Felsen zu folgen. Fledermäuse stießen auf sie hinab, die Hunde schnappten nach ihren Plagegeistern.
    »Platz!«, schrie jemand ein paar Meter hinter ihnen.
    Auf Phelps’ Befehl legten sich die Hunde auf den Boden und warteten ungeduldig auf die nächste Anweisung. Das schrille Kreischen der Fledermäuse machte die Hunde unruhig, sie winselten und knurrten.
    Ich sah zum Himmel hinauf: Baumkronen, Fledermäuse und darüber der rege Flugverkehr des LaGuardia-Flughafens, der sich direkt auf der anderen Seite des Long Island Sound befand. Keine Spur von Hubschraubern oder Suchscheinwerfern.
    Ich saß in der Falle. Ich steckte in einer Felsspalte fest, und drei, vier Meter unter mir knurrten und geiferten die Hunde, die nur auf den Angriffsbefehl warteten.
    Phelps ließ sich mit dem Aufstieg Zeit und leuchtete mir dabei mit seiner Taschenlampe ins Gesicht. Als er bei den Hunden ankam, winselten sie noch lauter, als wollten sie ihn um Erlaubnis bitten, über mich herzufallen.
    »Ruhig!«, befahl er. Sie verstummten und legten ihre Schnauzen auf die Pfoten.
    Ich sah, dass er eine Schrotflinte bei sich hatte. Ich dachte an Noah Tormey und das Attentat an der Ruhmeshalle. Logisch! Natürlich brauchte man in einem Park wie diesem eine Waffe, um die kostbaren Pflanzen vor Wildtieren und anderen Schädlingen zu schützen.
    »Ich glaube, Sie müssen herunterkommen, Miss Cooper. Wir haben zu tun.«
    Ich antwortete nicht. Ich glaubte in der Ferne Polizeisirenen zu hören und wollte Phelps vormachen, das Spiel sei aus.
    »Ich höre die Sirenen, Miss Cooper. Aber die sind nicht Ihretwegen hier. Meine Jungs stiften drüben auf der Fordham Road etwas Ärger. Die Stadt ist ein gefährliches Pflaster. Das wissen Sie selbst am besten.«
    Seine Schlägerbande sorgte in der Bronx für Ablenkung, und die Notrufnummer wäre andauernd besetzt. Sogar Mike und Mercer würden vielleicht denken, dass ich dort in Schwierigkeiten geraten oder dieses Mal wirklich dumm genug gewesen war, Ellen Gunshers Angreifern hinterherzujagen, nachdem Mercer mir gesagt hatte, er habe sie durchs Tor laufen sehen.
    »Rufen Sie Ihre Hunde zurück.« Ich versuchte Zeit zu schinden. Über uns kreisten immer noch Fledermäuse, während andere kopfüber von den Zweigen hingen und mich aus verrunzelten Gesichtern anstarrten.
    »Sie lassen sich nur schwer bändigen, Miss Cooper. Es sind Coydogs. Ich züchte sie, um den Wildbestand niedrig zu halten. Sie kümmern sich hervorragend um Schädlinge wie Kaninchen und Maulwürfe.«
    Eine Kreuzung aus Coyoten und Wildhunden, die als besonders aggressiv bekannt war!
    »Gehen wir«, sagte Phelps, dieses Mal lauter.
    Ich hörte Motorengeräusche und sah, wie sich der Kleinbus bewegte. Zweifelsohne einer seiner jungen Schergen, der das Auto wegschaffte, bevor die Polizei es finden konnte. Ich sah das Fahrzeug um die Kurve verschwinden, bewegte mich aber immer noch nicht.
    »Sie können da oben sitzen bleiben«, sagte Phelps. »Sie können meinetwegen noch höher hinaufklettern. Aber was dann? In meinen Wanderschuhen habe ich Sie im Handumdrehen eingeholt.«
    Ich wollte ihm sagen, er solle mich erschießen – das wäre schneller als alles, was er mit mir vorhatte –, aber das meinte ich natürlich nicht ernst. Außerdem würde er es ohnehin nicht tun, weil man die Schüsse hören würde.
    Ich zog mich Zentimeter um Zentimeter den Felsen empor, fand aber nur mühsam Halt. Ich war noch keinen Meter weit gekommen, als Phelps die Schrotflinte auf den Boden legte und mir nachkletterte. Er packte mich am linken Knöchel und zerrte mich unsanft zu sich
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