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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten
Autoren: Linda Fairstein
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Freunde oder Helfer würden nach mir rufen.
    Die Lichter gingen aus. Scheinbar hatte mein Verfolger beschlossen, mir zu Fuß nachzustellen. Aber ich hörte keine Schritte. Vielleicht war er in die andere Richtung gelaufen, in die die Schnauze des Golfwagens zeigte. Ich rannte noch tiefer in den Wald hinein, in der Hoffnung, auf der anderen Seite wieder auf eine Straße zu gelangen.
    Sekunden später beschrieb ein kräftiger Lichtstrahl von der Straße her einen 360-Grad-Bogen. Wahrscheinlich Phelps! Ich versteckte mich hinter einer großen Kiefer. Glücklicherweise trug ich dunkle Kleidung, also versuchte ich, ruhig zu bleiben und mich nicht zu bewegen.
    Als der Lichtstrahl nicht mehr in meine Richtung zeigte, lief ich hangaufwärts in den immer dichter werdenden Wald. Ich klopfte meine Hosentaschen nach dem Handy ab, bis mir einfiel, dass ich es in die Jacke gesteckt hatte, die noch in Phelps’ Küche hing.
    Während ich weiterkletterte, dachte ich an Mercer und Mike. Sie wussten, dass ich den Botanischen Garten nicht ohne sie verlassen würde. Mike hatte mir im Krankenhaus versprochen, dass er mich nie wieder im Stich lassen würde. Ich erwartete, jeden Augenblick Sirenen zu hören, und ich wusste, dass man mich vom Hubschrauber aus mit Infrarotscheinwerfern im Wald ausfindig machen konnte.
    Ich blieb eine Weile stehen. Die Totenstille jagte mir Schauer über den Rücken. Der Parkverwalter, der seit über zwanzig Jahren hier wohnte und arbeitete, kannte das Gelände wie seine eigene Westentasche, während ich wie ein blindes Huhn umherirrte. Entweder lief ich bis zur Erschöpfung durch den Park, oder ich suchte mir ein warmes Plätzchen, wo mich die Polizei finden würde.
    Weicher als auf die langen, grünen Kiefernzweige konnte man sich in der Wildnis nicht betten. Ich riss ein paar tief hängende Zweige ab und hoffte, dass mir die wohlhabenden Sponsoren des Gartens verzeihen würden, wenn ich in der Not ihre Pflanzen kaputtmachte.
    Ich breitete einige Zweige auf dem Boden aus, setzte mich darauf und deckte mich mit weiteren Zweigen zu. Aber der gefrorene Boden war feuchter, als ich erwartet hatte, und nach einer Viertelstunde war ich durchgefroren und konnte die Kälte nicht mehr ertragen.
    Ich stand auf und stapfte den Hügel hinab. Jetzt sah ich zwei Paar Scheinwerfer, die wie Jahrmarktscooter über den Weg rasten. Was, wenn Phelps seine Rowdybande zu Hilfe gerufen hatte, um mich aufzustöbern?
    Höchste Zeit, sich in die Büsche zu schlagen! Mein Gesicht kribbelte vor Kälte, und ich wackelte mit den Zehen, um mich zu vergewissern, dass sie noch nicht erfroren waren. Ich lief gebückt unter den Bäumen hindurch quer über den Hügel. Ich wollte mich irgendwo verstecken, wo ich keine Lichter mehr sah und man mich nur mit Nachtsichtgeräten ausfindig machen konnte.
    Da tauchten ungefähr zehn Meter vor mir dunkelgraue Felsen zwischen den Zweigen auf. Ich stolperte darauf zu und zog einige Zweige hinter mir her, um mich damit zuzudecken, sobald ich ein Versteck gefunden hatte.
    Ich zog mich an einem Baumstamm empor und lehnte mich völlig erschöpft gegen den ersten Felsen, den ich erreichte.
    Nachdem ich ein paar Mal tief durchgeatmet hatte, suchte ich zwischen den riesigen Steinen eine Nische, in der ich mich verstecken konnte. Als ich eine kleine Höhle entdeckte, zwängte ich mich ohne zu zögern durch die Öffnung, um der Kälte und meinen Verfolgern zu entkommen.
    Drinnen schien es trocken zu sein. Erleichtert versuchte ich, meine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen.
    Ich sah zu Boden, um nicht zu stolpern oder einen falschen Schritt zu tun und drang ungefähr zwei, drei Meter in die Höhle vor, damit man mich am Eingang nicht sehen konnte, wenn man mit einer Lampe oder einem Scheinwerfer die Höhle anleuchtete.
    Da stieß ich mit dem Kopf an etwas Großes, Behaartes, das von der Decke baumelte. In panischer Angst sank ich auf die Knie, als eine Armee von Fledermäusen aufgeregt quiekend aufstob. Manche steuerten mit ausgestreckten Krallen geradewegs auf mich zu. Andere flatterten mir mit bedrohlich aufgespannten Flügeln um die Ohren, bevor sie durch den Eingang nach draußen flogen und mich zitternd auf dem dreckigen Höhlenboden zurückließen.

 

44
     
    Ich rannte so schnell ich konnte den Hügel hinab, unter dem Gekreisch der behaarten Säugetiere, die ich aus dem Winterschlaf gerissen und in die Kälte hinausgetrieben hatte. Sie schwärmten aus wie eine zornige Armee und bildeten eine schwarze
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